Herr aller Dinge - Eschbach, A: Herr aller Dinge
charakteristische Bewegung, ein wellenartiges Fließen …
(Pause)
Ich weiß es nicht mehr. Jedenfalls musste ich an Hiroshis … an Mister Katos Roboter-Experiment denken, als ich diese Art der Bewegung gesehen habe. Einen Moment lang hatte ich den Gedanken, dass seine Roboter sich vielleicht selbstständig gemacht hatten und irgendwie auf diese Insel gelangt waren. Ichdachte nicht an Nano-Roboter. Davon hat erst Mister Whitecomb angefangen.
Vorsitzender: Rear Admiral Whitecomb.
Zeugin: Ja. Irgendwelche Experten in Washington waren auf die Idee gekommen.
Vorsitzender: Können Sie uns diese Bewegung auf der Klinge näher beschreiben?
Zeugin: Es war eine Art Schimmern, das sich bewegt hat. Es ist die Klinge entlanggeflossen. Zumindest sah es so aus. Und als sich Hiroshis Roboter damals fortbewegt haben, sah das genauso aus. Es war auch ein Schimmern, das aussah, als flösse da etwas dahin. Ungefähr so, als würde jemand einen Eimer silberner Kugeln ausleeren. Nur dass es keine Kugeln, sondern eckige flache Scheiben waren. Und sie sind nicht gerollt, sondern haben sich übereinander verschoben, sind umgeklappt …
(Pause)
Das müssten Sie einfach sehen. Wenn man es einmal gesehen hat, erkennt man es wieder. Und das auf der Klinge …
(Pause)
Es war ein bisschen so, wie wenn man einmal in einem Waschbecken voller Wasser geplätschert und die Wellen gesehen hat, die es macht. Wenn man danach den Ozean sieht, weiß man, dass dessen Wellen im Grunde dasselbe sind. Dass man es ebenfalls mit Wasser zu tun hat. In diesem Sinn hat mich das Schimmern auf der Klinge an Hiroshis Roboter denken lassen.
(…)
Stellvertretender Vorsitzender: Ich muss noch einmal auf die Frage zurückkommen, was Sie an jenem Tag auf die Idee gebracht hat, die Admiräle auf Mister Kato aufmerksam zu machen.
Zeugin: Letzten Endes war es eine Eingebung. Ich habe geraten, wenn Sie so wollen. Ich habe ehrlich gesagt auch etwas übertrieben, als ich auf dem Schiff über Mister Kato gesprochen habe. Ich wollte einfach nicht, dass man Atombomben einsetzt.
Charlotte hätte heulen können vor Erleichterung, als sie in Moskau eintraf und ihre Mutter unter den Wartenden entdeckte. Irgendwie war es erst jetzt wirklich vorüber. Sie umarmte ihre Mutter, konnte die Tränen nur mit Mühe zurückhalten, war so froh, da zu sein. Sie hätte in diesem Moment jeden Cousin geheiratet, den ihre Mutter angeschleppt hätte, doch zum Glück war Maman gar nicht auf diese Idee gekommen.
»Du und deine verrückten Abenteuer«, meinte sie nur.
»Ja«, gab Charlotte zu. »Das war das verrückteste von allen.«
»Ich hoffe, du hast was daraus gelernt.«
»Hab ich. Hab ich ganz bestimmt.«
Charlotte hatte ein schlechtes Gewissen, dass sie die anderen im Stich gelassen hatte. Es hatte ein langes Tauziehen zwischen den beiden Großmächten um die Verhöre gegeben: Die amerikanische Regierung hatte sie in Washington veranstalten wollen, Russland in Sankt Petersburg. Schließlich hatte man sich auf Island geeinigt, auf neutralen Boden. Als die Befragungen in Reykjavík begannen, in einem Hotel, das mit enormem Aufwand abgeschirmt wurde, waren die Medien aufmerksam geworden und hatten Gerüchte über neue Abrüstungsverhandlungen in die Welt gesetzt.
Inzwischen war das Interesse der Öffentlichkeit wieder abgeflaut, aber die Verhöre dauerten nach wie vor an. Schließlich war es Charlotte zu viel geworden, all diese Verhöre, und noch eines, und noch eines, kein Ende in Sicht: Sie hatte, schamlos ihren Status als Diplomatentochter ausnutzend, die Flucht ergriffen. Sie hatte alles unterschrieben, was man ihr bei der Entlassung vorgelegt hatte – Geheimhaltungsverpflichtungen, Verzicht auf Schadenersatzansprüche, Verzicht auf Aufwandsentschädigungen und ein Dutzend Dinge mehr –, und war in den nächsten Flieger gestiegen.
Und hier war sie nun. Zu Hause. Und auch wieder nicht. Tatsächlich war es, musste sie sich ein paar Tage später eingestehen, grauenhaft. Mutter schien immer kühler, abweisender, scharfkantiger zu werden, nur noch auf korrekte Formen undäußere Erscheinung bedacht und darauf, nur ja keine Gefühle zu zeigen. Vater flüchtete in unverbindliche Höflichkeit und zu angeblich höchst wichtigen Verpflichtungen; wenn er zu Hause war, legte er oberflächliches Gutgelauntsein an den Tag und plapperte jeden Versuch eines ernsthaften Gesprächs schon im Ansatz tot. Alles, was er zu ihrem Abenteuer im Nordmeer zu sagen wusste, war, dass sich der
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