Herr aller Dinge - Eschbach, A: Herr aller Dinge
etwas verändert.« Er lauschte der Stimme in seinem Kopfhörer. »Sie scheinen zu verschwinden.«
»Soweit ich mich erinnere, sind alle unsere U-Boote mit Kameras ausgestattet«, knurrte der Admiral. »Ist das bei K-104 anders?«
»Moment – ich kriege ein Bildsignal. Hier.« Ein Tastendruck, und eine Unterwasseraufnahme erschien auf einer Vielzahl von Bildschirmen. Man sah eines der länglichen metallischen Gebilde, die von der Insel ausgingen, im Lichtkegel eines Scheinwerfers glänzen – und schrumpfen!
Uljakow stand vor einem der Schirme und verfolgte mit vorgebeugtem Oberkörper, was geschah, die Hände hinter dem Rücken zusammengelegt, regungslos. »Gut«, meinte er schließlich. »Die erste gute Nachricht, seit ich hier bin.«
»Er hat es geschafft.« Whitecomb hieb sich mit der Faust in die Fläche der anderen Hand. »Der verdammte Hurensohn hat die verdammten Dinger unter Kontrolle gekriegt.«
Ein anderer Beobachter reckte den Kopf. »Bewegung auf der Insel selbst. An den Befestigungsanlagen tut sich was.«
Kollektives Einatmen. Selbst das Schiff schien zusammenzuzucken, obwohl es natürlich nur unter einem besonders starken Brecher erbebte, der es genau in dem Moment traf.
»Wo bleiben die Kameras?«, bellte Uljakow, der als Einziger nicht nach einem Halt griff.
Die Bilder auf den Schirmen wechselten. Einstellungen zoomten näher an Bereiche heran, in denen Bewegungen feststellbar waren. Die Zinnen oben auf dem Wall, bisher scharfkantig und von kaltem Glanz, wurden zusehends weicher, runder, erschienen wie von Nebel umhüllt. Die mächtigen Stahlrippender Bergbefestigung, zuvor schimmernd wie frisch polierter Stahl, verfärbten sich rötlich, schienen zu zerfließen, in sich zusammenzusinken … davongeblasen zu werden.
»Fuck!« , entfuhr es Konteradmiral Whitecomb. »Das Ding löst sich auf!«
Genauso war es. Die Anlage zerfiel zu Staub, den der Sturm davonwehte. Und es ging immer schneller und schneller. Bald kamen die ersten Felsbrocken wieder zum Vorschein. Die Konturen des Portals waren kaum noch auszumachen. Die beiden ins Meer ragenden Wehranlagen, zu denen die Naniten die beiden Schiffe und ihre Besatzung umgebaut hatten, lösten sich im Wasser auf, färbten es rot wie Blut.
Uljakow befahl den Start des Hubschraubers, ließ ihn über der Insel kreisen und Aufnahmen aus der Luft machen. Sie zeigten dasselbe Bild: rieselnder Staub, wo zuvor mächtige Festungen gestanden hatten, blassgraue und rötliche Verwehungen, wo der Sturm entlangfegte. Die kilometertiefe Abschussröhre war nicht mehr da; an ihrer Stelle fiel ein tiefes, dunkles Felsloch in sich zusammen. Der Abwind des Rotors hinterließ Spuren auf der Hochebene, als bürste ein unsichtbarer Besen über ausgestreute Sägespäne.
Das Ganze dauerte kaum eine halbe Stunde. Danach war alles, was zuvor unbesiegbar geschienen hatte, verschwunden, und Saradkov sah aus wie die Oberfläche des Mars.
»Da ist jemand!«
Eine der Kameras richtete sich auf die Stelle, an der das Portal gewesen war und an der nun eine große, dunkle Höhle im Berg klaffte, die aussah wie der aufgerissene, zahnlose Mund eines riesigen Greises. Eine menschliche Gestalt kam zum Vorschein, mehr taumelnd und stolpernd als aufrecht gehend, undefinierbare Überreste von Kleidung am Leib.
Es war Hiroshi. In der Hand hielt er ein Stück der Tastatur, offenbar die Überreste seines Computers. Als die Kamera näher heranzoomte, sah man, dass er zitterte vor Kälte.Das, was er noch am Leib trug, genügte vermutlich kaum den minimalsten Anforderungen der Etikette, und ganz bestimmt genügte es nicht mehr, um der Kälte des Polarkreises standzuhalten. Hiroshi bibberte, als er das Freie erreichte – und das gerade rechtzeitig: Hinter ihm stürzte ein weiterer Teil der Höhlengänge ein, die die Naniten durch die Felsen getrieben hatten.
Das hatte er sich alles anders vorgestellt. Er wäre gern stehen geblieben, um zu verschnaufen, aber so dicht am Berghang, so dicht bei den Höhlen war es immer noch gefährlich. Er musste weiter, mitten hinein in den eiskalten Sturmwind. Er sah auf seine Hände hinab. Seine Finger waren blaugefroren. Sie hielten den kläglichen Rest des Laptops umklammert, wollten ihn einfach nicht loslassen.
Schließlich blieb er stehen, winkte in Richtung der Schiffe. Sie würden ihn doch beobachten, oder?
Da. Hinter ihm. Ein Hubschrauber kam über den Bergkamm, setzte zur Landung an. Hiroshi stolperte darauf zu. Ein Mann sprang heraus, als die
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