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Herr aller Dinge - Eschbach, A: Herr aller Dinge

Herr aller Dinge - Eschbach, A: Herr aller Dinge

Titel: Herr aller Dinge - Eschbach, A: Herr aller Dinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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Wahrheit hätte sie vor Enttäuschung schreien können.
    Am Freitag hatten sie Fantasien von fremden Männern regelrecht heimgesucht. Vormittags beim Einkaufen waren ihr so viele knackige Männerhintern aufgefallen wie noch nie. In der Schlange vor der Kasse hatte sie überlegt, wie es wohl ablaufen mochte, wenn eine Frau einen Mann ansprach. Sie wäre beim geringsten Anmachversuch blindlings mitgegangen, aber außer den üblichen scheuen Blicken begegnete ihr nichts dergleichen.
    »Hi, Charlotte«, begrüßte sie Ian, Brendas Bruder, der gerade dabei war, den Lastwagen rückwärts in die Einfahrt zu manövrieren. Miet mich! stand in grellroten Lettern darauf.
    Sie grüßte zurück. Ian war drei Jahre älter als Brenda, was damals in Delhi noch ein enormer Unterschied gewesen war. Er studierte inzwischen Kirchenmusik, was man nicht geglaubt hätte bei seinem karottenfarbenen Lockenkopf und seiner muskulösen Erscheinung.
    Er stieg aus, schüttelte ihr die Hand und sagte: »Ich dachte, du bringst deinen James mit?«
    »James kann nicht kommen«, gestand Charlotte. »Er … muss seinem Vater helfen.« Das kann man mal zitieren, wenn eine Definition für den Begriff »großzügige Umschreibung« gefragt ist , dachte sie.
    Ian hob die Augenbrauen und sagte nur: »So.« Er konnte James nicht leiden, seit jeher. Brenda hatte ihr verraten, dass ihr Bruder gesagt habe, eine Flasche mit einer Milliarde Dollar sei immer noch eine Flasche.
    Brenda kam angesegelt, schloss Charlotte in die Arme und enthob sie auf diese Weise der peinlichen Notwendigkeit, James weiter zu rechtfertigen. »Gott, bin ich aufgeregt!«, erklärte sie. »Denk doch nur – wenn ich heute Abend die Tür hinter euch zumache, werde ich zum ersten Mal in meinem Leben ganz allein in einem Haus sein! Ich kann es noch gar nicht fassen.«
    »Na ja«, meinte Charlotte. »Abgesehen von Susan.« So hieß die Frau, die das obere Stockwerk bewohnte.
    »Die ist dieses Wochenende nicht da! Das ist doch das Aufregende … Hi, Gwen! Juanita! Ihr Süßen!« Brenda segelte weiter, den beiden Neuankömmlingen entgegen.
    Gwen war ein, freundlich formuliert, pummeliges Mädchen mit erdbraunen Korkenzieherlocken und einem irgendwie atemlos klingenden Lachen. Sie stammte aus Maine, und das Erste, was sie jedem über sich erzählte, war, dass ihre Eltern angeblich in derselben Straße wohnten wie Stephen King. Sie studierte zusammen mit Brenda Design.
    Juanita verkörperte so etwas wie Gwens Gegenentwurf: eine streng wirkende, hagere Frau, die die Idealbesetzung für die Rolle einer Bibliothekarin gewesen wäre. Tatsächlich studierte sie amerikanische Literatur, und man erwartete unwillkürlich, dass sie Checklisten aus der Tasche ziehen und beginnen würde, Erledigtes ordentlich abzuhaken.
    Nun ließen sich auch Brendas Eltern blicken. Sie schüttelten die Hände der Helfer, und ihr Vater erklärte: »Ein großer Tag. Endlich kann ich mir ein Billardzimmer einrichten.«
    Das war ein schwacher Versuch in britischem Humor. InWirklichkeit, das wusste Charlotte von Brenda, fanden sich ihre Eltern nur schwer damit ab, dass nun beide Kinder endgültig aus dem Haus waren.
    Ian hatte die Ladeklappe geöffnet und fixiert sowie die grauen Packdecken und die Spannschnüre bereitgelegt. Nun kam er breitbeinig an und meinte zu seiner Schwester: »Das wird ein Drama, deinen Schrank runterzukriegen, das ist dir hoffentlich klar? Dafür bräuchte man zwei starke Männer, für mehr Leute ist kein Platz auf der Treppe.«
    Brenda riss die Augen auf. »Und wenn ich Dad –?«
    »Wag es nicht«, unterbrach Ian sie. »Mir reicht noch das Drama mit seinen Bandscheiben von letztem Jahr.«
    Charlotte suchte gerade nach Worten, um anzudeuten, dass zumindest die theoretische Hoffnung auf einen zweiten Mann im Team bestand, als dieser auftauchte wie gerufen: Dr. Thomas Peter Wickersham kam in einem abgeschabten Overall über den Rasen angeschlendert, ein Paar Arbeitshandschuhe in der Hand und eine Baseballkappe der Boston Red Sox auf dem Kopf.
    Er sah gut aus. Richtig gut. Wieso hatte sie seine Einladung eigentlich ausgeschlagen? Jetzt gerade hätte sie sich dafür in den Bauch beißen können. Charlotte blinzelte. Was war los mit ihr? Was waren das für Gedanken?
    Er steuerte zuerst auf Brendas Vater zu. »Professor Gilliam?«
    »In Person«, sagte der.
    »Im Herfahren habe ich mir gedacht, das ist doch eine Adresse auf dem Campus …« Er streckte ihm die Hand hin. »Thomas Wickersham. Ich lehre

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