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Herr aller Dinge - Eschbach, A: Herr aller Dinge

Herr aller Dinge - Eschbach, A: Herr aller Dinge

Titel: Herr aller Dinge - Eschbach, A: Herr aller Dinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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Freundschaften schließt man später nie mehr. Deshalb möchte ich sie erhalten.«
    Das war auch noch keine Antwort auf seine Frage. Er schwieg, und sie wartete darauf, dass er ihr das sagen würde, aber stattdessen fragte er nach einer Weile des Nachdenkens: »Ist es das, was du fühlst?«
    Sie blieb stehen, wandte sich ihm zu, sah ihn an. Fest. Wie in dem Kinderspiel, in dem verliert, wer zuerst wegschaut. Hatte sie das mit Hiroshi eigentlich jemals gespielt? Sie erinnerte sich nicht. Sie waren immer so ernsthaft gewesen. »Ja«, erklärte sie dann. »Das ist, was ich fühle.«
    Doch während sie es aussprach, wusste sie, dass sie nicht die Wahrheit sagte. Dass da etwas war zwischen ihnen, das sie nicht wahrhaben wollte.
    Und sie las in seinem Blick, dass er nie aufgeben würde, es herauszufinden. Niemals.
    Hiroshi erkannte, dass noch viele Anstrengungen vor ihm lagen. Dass er noch lange würde warten müssen und dass seine Entschlossenheit, was Charlotte anbelangte, auf eine harte Probe gestellt werden würde.
    Andererseits – was hatte er erwartet? Hier waltete das Schicksal, nicht mehr und nicht weniger. Alles, was geschah – und auch, was nicht geschah –, hatte seinen Sinn, selbst wenn man diesen Sinn nicht gleich erkannte. Er würde also einen langen Atem haben müssen. Er atmete ins Hara , wie es ihn sein Vater gelehrt hatte. Sein amerikanischer Vater, der sich geistig immer weiter in die Zeit der Samurai zurückzog.
    Sie erreichten einen Parkplatz, auf dem ein protziger Geländewagen stand, einer von der Sorte, die pro Kilometer mehr Sprit verprassen als ein Zwölftonner-Lastwagen. In Tarnfarben lackiert, als gelte es, noch heute in einen Krieg zu ziehen, zugleich aber sauber gewaschen und auf Hochglanz poliert: sehr die Frage, ob dieses Fahrzeug geteerte Straßen überhaupt schon einmal verlassen hatte.
    Der Kerl, der da mit verschränkten Armen am Kotflügel lehnte, war also James Michael Bennett III., der Mann, mit dem sich Charlotte verloben würde. Der Milliardärssohn. Hiroshi hatte natürlich recherchiert. Im Studentenverzeichnis von Harvard wurde man fündig, wenn man sich das Passwort eines anderen Harvardstudenten borgte: James Michael Bennett III. studierte ebenfalls Anthropologie, wobei er daneben in so vielen Sportarten aktiv war, dass man sich fragen musste, wo er die Zeit für ein Studium hernahm. Auch im Internet fand man eine Menge über ihn. Er gehörte zum Jet-Set von Boston und würde einen milliardenschweren Konzern erben: Grund genug für die Zeitungen, immer wieder mal über seine Meisterschaftsgewinne, Gala-Dinner-Auftritte und dergleichen zu berichten. Er sah verdammt gut aus auf den Zeitungsfotos.
    Ihm in der Realität zu begegnen war dagegen überraschend unbeeindruckend. Er wirkte fahrig, blass, war in Gedanken ganz woanders. Falls er irgendwelche besonderen Fähigkeiten besaß, die ihn dereinst zur Führung des Konzerns prädestinierten, den sein Vater aufgebaut hatte, merkte zumindest Hiroshi nichts davon.
    James küsste Charlotte wie nebenbei und nicht ohne Hiroshi mit einem misstrauischen Blick zu messen. Was habt ihr den Tag über gemacht?, war deutlich darin zu lesen. Er traute ihr nicht. Angst bestimmte ihn. Hiroshi hätte gern verstanden, was Charlotte an diesem Kerl fand, aber es gelang ihm nicht. Sein gutes Aussehen, das auf Fotografien so beeindruckend zur Geltung kam, wirkte eigentümlich affig, wenn man ihm gegenüberstand. Er sah, ja, irgendwie retuschiert aus. Hiroshi fragte sich, ob womöglich Schönheitsoperationen hinter dem Erscheinungsbild standen, das er vor sich sah.
    Aber Bennett war reich. Selbst wenn man es nicht gewusst hätte, man sah es.
    War es das? Liebte sie ihn, weil er reich war? Liebte sie die Aussicht auf ein sorgloses Leben in Saus und Braus, in palastartigen Häusern mit riesigen Swimmingpools und einem Heer von Dienstboten, auf Reisen im Privatjet, auf teuren Schmuck und Urlaube in Luxushotels?
    Dieser Gedanke, das merkte Hiroshi, löste einen richtiggehenden Geysir an Gefühlen in ihm aus, der nur schwer unter Kontrolle zu halten war. Er war beinahe froh, so erschöpft zu sein – zu erschöpft für einen Ausbruch.
    Nun streckte ihm James die Hand hin, auf die übliche amerikanisch-burschikose Weise. Würde er die seine mit aller Kraft zusammenpressen? Hiroshi reichte ihm die Hand besorgt, aber nein, so primitiv war er dann doch nicht. Beinahe schade; es wäre etwas so schön Verachtenswertes gewesen.
    »Hi«, sagte James, während sie

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