Herr aller Dinge - Eschbach, A: Herr aller Dinge
aus seinem alten Radiowecker Sachen sortierte, Regale aufräumte und mit dem Staubsauger hantierte, fragte er sich, was dieser Rasmussen wohl von ihm wollte. Wozu ein persönliches Gespräch? Suchte man das nicht vor allem, wenn es darum ging, jemandem zu kündigen?
Was ja in gewisser Weise auch eine Variante gewesen wäre, die Zusammenarbeit auf eine neue Basis zu stellen , wie es Rasmussen am Telefon formuliert hatte.
Aber selbst wenn nicht – was sollte daraus werden? Der »Zauberstab« war eine Spielerei gewesen. Er hatte ausprobieren wollen, ob sich mit so etwas Geld verdienen ließ. Nun, es hatte funktioniert, wenn auch nicht in überwältigender Weise. Und auch wenn Rasmussen damit zufrieden sein sollte: Hiroshis Ziel war ja nicht, Erfinder elektronischer Artikel für irgendeinen Konzern zu werden. Seine Vision war ja größer, viel, viel größer.
Also würde das Treffen heute ohnehin nicht viel bringen.
Es interessierte ihn allerdings, mal einen dieser sagenhaften Investoren kennenzulernen. Die galten hier am MIT quasi als mythische Wesen. Eine geniale Idee haben, einen Investor finden und dann groß rauskommen … davon träumte ungefähr jeder Zweite, den er kannte.
Wenn er nur früher mit dem Putzen angefangen hätte! Irgendwann am späten Vormittag saß er mit knurrendem Magen da, weil er kaum gefrühstückt hatte, und sah sich entmutigt in seinem Zimmer um. Es stank nach dem künstlichen Zitronenduft des Putzmittels, nach Staub und dem Staubsaugermotor, der dringend neue Schleifkohlen brauchte, und es sah schlimmer aus als je zuvor.
Die Einsicht ließ sich nicht länger vermeiden, dass er unmöglich auf die Schnelle nachholen konnte, was er monate-, nein jahrelang versäumt hatte. Allein all die Staubflusen, die erunter dem Bett hervorgeholt hatte! Diese schmierigen Beläge überall, wohin er auch fasste – woher kamen die bloß?
Und wieso besaß er überhaupt so viel Krempel? Irgendwie schien das Grundproblem zu sein, dass Staub sich mit Vorliebe zwischen irgendwelchem Zeug ansammelte, ein Staubsauger aber zu groß war, um anschließend dorthin zu gelangen. Ließ sich aus dieser Erkenntnis womöglich eine neue Erfindung ableiten? Darüber musste man mal nachdenken.
Seltsam … Damals, als er nach Amerika geflogen war, hatte er nur einen Koffer und eine Umhängetasche dabeigehabt. Das hatte gereicht. Und heute? Heute graute ihm vor dem Tag, an dem er hier ausziehen musste. Vor all den Kisten, die es dann einzuräumen, zu schleppen und wieder auszuräumen galt.
Er spähte in den Karton, den er sich für alles, was zum Wegwerfen war, hingestellt hatte. Nicht viel drin. Das Blöde war, dass man manche Sachen zwar gerade nicht brauchte, aber eines Tages vielleicht wieder. Bis dahin lagen sie eben herum, und in so einem kleinen Raum waren sie, egal, wohin man sie stopfte, immer im Weg. Jetzt hatte er den ganzen Vormittag geschuftet, praktisch jeden Gegenstand angefasst und woandershin gestellt, und irgendwie sah seine Bude noch genauso aus wie vorher: überfüllt.
Peinlich. Da wollte er die Welt verändern und schaffte es nicht einmal, sein Zimmer sauber zu kriegen.
Die Tür zum Flur, die er nur angelehnt hatte, bewegte sich. Rodney steckte neugierig den Kopf herein. »Was für einer widernatürlichen Betätigung gibst du dich denn hin?«
Widernatürlich? Da hatte Rod nicht unrecht. Hiroshi fühlte sich selber schon wie ein Putzlumpen.
»Das Problem des Putzens«, legte er Rodney seine neuesten philosophischen Einsichten dar, »besteht darin, dass Sauberkeit nicht erreicht werden kann – man kann nur den vorhandenen Schmutz auf ein akzeptables Maß reduzieren. Auf der anderen Seite ist das nicht schlimm, denn eigentlich gibt es Schmutz gar nicht. Schmutz ist einfach nur Materie an der falschen Stelle.«
»Originell. Aber nicht von dir.« Rodney stieg vorsichtig über Zeitschriftenstapel und zusammengekehrten Dreck und erschauderte sichtlich beim Anblick des ganzen Chaos. »Hast du nicht gesagt, du kriegst heute noch Besuch?«
»Was glaubst du, warum ich hier wirble?« Hiroshis Blick folgte dem Rodneys, und er erschauderte ebenfalls. Die Spielkonsole, die er so gut wie nie benutzte. All die Zeitschriften, die er aufbewahrte, obwohl jede höchstens zwei interessante Artikel enthielt: Er kam einfach nie dazu, sie herauszutrennen. All die übrigen Bauteile von irgendwelchen Versuchen, lose Schrauben, Kartons voller abgeschnittener Drähte … Und überall Kugelschreiber, von denen die meisten
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