Herr Bofrost, der Apotheker und ich
Sie ist allerdings viel gesundheitsbewusster als ich.«
Darum schmeckt's bei ihr auch nie, hätte ich am liebsten hinzugefügt, um den armen Mann gleich zu warnen, aber natürlich hielt ich brav die Klappe und überreichte Kerstin lieber ihren Öko-Fresskorb.
Sie errötete vor Freude. »Ich verwende möglichst nur Demeter-Produkte«, erklärte sie dem Professor. »Bei anderen Lebensmitteln weiß man heutzutage ja gar nicht mehr, womit man seinen Körper vergiftet. Was da alles an Pestiziden gespritzt wird ...« Sie blickte kopfschüttelnd in die Runde und verstummte. Wahrscheinlich weil sie keine Ahnung hatte, was da alles an Pestiziden gespritzt wurde, und sich mit jeder Fortsetzung des Satzes nur blamiert hätte. Stattdessen nippte sie an ihrem Sherry.
»Da haben Sie Recht«, stimmte der Professor zu. »Besonders bei spanischen Trauben sollte man vorsichtig sein!« Er prostete ihr mit einem ironischen Lächeln zu.
Kerstin errötete wieder, diesmal vor Ärger, und stellte ihr Glas ab.
Hey, der Typ gefiel mir! – Mama Spenger allerdings tat mir Leid. Sie sah unsicher von einem zum anderen. Wahrscheinlich hatte sie schon Pläne für das Hochzeitsessen gemacht.
Doch Holger kam ihr sofort zur Hilfe. »Diesen Sherry haben meine Eltern persönlich in einer Bodega in Jerez gekauft, Herr Professor Sassnitz, da kann man sich blind auf Qualität verlassen.«
Kerstin und Mama Spenger atmeten erleichtert auf – wenn sicherlich auch aus unterschiedlichen Gründen –, und der Professor lächelte gutmütig.
»Mag sein, davon verstehe ich nicht viel. Aber lassen Sie doch bitte den Professor weg, diese Titel sind doch lächerlich!«
Holger, der sich jedes Mal ärgerte, wenn er nicht mit Doktor Spenger angesprochen wurde, nickte verständnisvoll. »Selbstverständlich, Herr Prof.., Herr Sassnitz«, sagte er.
»Wir sollten langsam zu Tisch gehen«, verkündete Mama Spenger, kippte den Rest Sherry hinunter und stand auf.
Mir gefiel der Abend. Der Professor mischte den Laden echt auf Holger war die Liebenswürdigkeit in Person und nörgelte kein einziges Mal über rückläufige Umsätze oder sein widerspenstiges Buchführungsprogramm, Kerstin wirkte ein wenig unsicher und verschonte uns mit ihren Anti-Arsch-Tiraden, und Mama Spenger hatte sich regelrecht überschlagen und servierte endlich einmal etwas anderes als Suppe, Braten mit Sauce, grünen Böhnchen und Salzkartoffeln. Nur Papa Spenger war wie immer – verbindlich und zuvorkommend. Und ich war komplett außen vor, um mich kümmerte sich niemand. Ich konnte in Ruhe essen und dem belanglos dahinplätschernden Tischgespräch lauschen, das allerdings gar nicht so harmlos war, denn Holger und Mama Spenger erkundigten sich genauestens nach den Lebensumständen und Plänen des Professors. »Und Sie gedenken wirklich, sich hier dauerhaft einzurichten?«, fragte Mama Spenger im schönsten Plauderton. »Wollen Sie ganz allein in dem großen Haus leben?«
»Ja. Endlich habe ich wieder Platz für meine Bücher. Seit meiner Scheidung lebe ich in einer winzigen Zweizimmerwohnung in Hannover, das ist wirklich kein Zustand«, erklärte der Professor fröhlich, nahm einen Entenflügel in die Hand und begann ihn abzuknabbern.
Großer Fauxpas, hätte ich ihm sagen können. In der Familie Spenger knasperte man auch noch das winzigste Stück Fleisch sittsam mit Messer und Gabel vom Knochen. Aber heute schien solch proletarisches Verhalten nicht zu stören. Mama Spenger und Holger hingen an den fettverschmierten Lippen des Professors. Wenn Kerstin nur noch einmal unter die Haube kam, war ihnen alles recht. Und er war ein Professor !
»Ach, Sie sind geschieden. Das tut mir Leid«, sagte Mama Spenger und legte ihm wie zum Trost ein paar Teltower Rübchen nach. Sie schüttelte betrübt den Kopf »Darf ich fragen, ob Sie Kinder haben?«
»Zum Glück nicht. Mit Kindern wäre eine Scheidung weitaus tragischer gewesen. Doch abgesehen davon wollte ich auch nie welche. Ich bin nicht davon überzeugt, dass man heute noch guten Gewissens Kinder in die Welt setzen kann. Wie Sie schon sagten«, er wandte sich Kerstin zu, »unsere Nahrung steckt voller Gifte. Und wie wir mit unseren Ressourcen und dem Klima umgehen ... nein, das alles kann einen nicht sehr optimistisch stimmen. Es gibt längst zu viele Menschen auf der Welt.«
»Aber doch nicht in den Industrieländern«, protestierte Holger. »Da nimmt die Bevölkerung langfristig ab!«
Der Professor nickte und trank einen Schluck Wein. »Ein
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