Herr Bofrost, der Apotheker und ich
ernsthaft an ein Kind denken.« Er drückte mich fester an sich. »Es wird doch allmählich Zeit.«
Ich schüttelte seinen Arm ab. »Holger, ich habe dir doch schon tausendmal gesagt, dass ich noch keine Kinder will. Meine Güte, ich bin vierunddreißig, ich habe noch massenhaft Zeit.«
»Lenchen, täusch dich da nicht. Schließlich ist gar nicht gesagt, dass es auf Anhieb klappt. Du bist nicht mehr die Jüngste – biologisch gesehen.«
Wie charmant! »Na, wenn du das so siehst, schreitest du mit deinen fast vierzig ja wohl rapide auf das Greisenalter zu – biologisch gesehen«, konterte ich.
Holger lächelte gequält. »Bei Männern ist das etwas anderes. Die bleiben bis ins hohe Alter zeugungsfähig.«
Wie schön. Damit war jedenfalls schon einmal klargestellt, dass ich das Problem war.
»Außerdem«, fuhr Holger fort, »warst du ja mit deinen Büchern schon recht erfolgreich und kannst es dir doch erlauben, nun kürzer zu treten.«
»Ach, und du?«
Er lächelte wieder, diesmal voller Nachsicht. »Nein, Lenchen, ich kann mir das noch lange nicht erlauben. Schon gar nicht, wenn wir eine Familie haben. Kinder sind teuer, weißt du.«
Danke. Darauf wäre ich von allein nicht gekommen. »Also stellst du dir das so vor, dass ich mich um unsere Kinder kümmere und du ihnen, wenn du nach Hause kommst, noch einen Gute-Nacht-Kuss auf die Stirn hauchst und das Licht im Kinderzimmer ausknipst.«
»Nun, samstags komme ich ja früher nach Hause. Und sonntags bin ich den ganzen Tag da. Das ist doch in vielen Familien so.«
»Das ist ja das Elend. Holger, ich will keine Kinder ohne einen Partner, der sich genauso um sie kümmert wie ich. Was du dir da vorstellst, ist doch völlig antiquierte Fünfziger-Jahre-Kacke!«
»Lena!« Das sanfte Lächeln war schon lange verschwunden. Jetzt klang seine Stimme ziemlich gepresst. »Kannst du dich bitte etwas gesitteter ausdrücken! Wir sind doch hier nicht auf dem Fischmarkt!«
»Nö, aber an der Weser. Die riecht auch nach Fisch«, entgegnete ich.
Er fand das nicht komisch. Wir stapften schweigend vor uns hin. Bis Holger die Grundsatzfrage stellte: »Sag mal, Lena, willst du überhaupt irgendwann Kinder?« Es klang drohend.
Ich dachte nach. Ja, klar, jede Frau will doch Kinder, oder? Allerdings – einen drängenden Muttertrieb verspürte ich nicht. Jedenfalls nicht so deutlich, dass ich bereit gewesen wäre, das ganze Theater allein auszubaden. Und irgendwie war die Frage falsch gestellt. Sie musste lauten: Wollte ich Kinder mit Holger? Was er mir bislang offeriert hatte, waren Kinder von Holger, und das wollte ich definitiv nicht. Kinder einer allein erziehenden Mutter, die ihren Vater bestenfalls ein paar Stunden am Wochenende sahen. Die Angst haben mussten, seinen englischen Rasen zu verschrammen oder eine Tagetes abzuknicken. Die sich wochentags freiwillig vor sieben ins Bett verkrochen, um dem missgelaunten Papa nicht in die Quere zu kommen.
»Ja, doch«, sagte ich vage. »Irgendwann schon. Lass mir einfach noch ein bisschen Zeit. Jetzt fühle ich mich noch nicht reif für so viel Verantwortung.« Ich setzte mein lieblichstes Lächeln auf, vollführte meinen treuherzigsten Augenaufschlag und machte meine Stimme ganz klein: »Können wir noch irgendwo einen Kaffee trinken gehen? Und ein bisschen Kuchen essen?«
»Aber, Lenchen, natürlich!« Er fasste mich unter den Arm. »Was hältst du von heißem Apfelstrudel mit Vanillesauce?« Jetzt war er ganz der gute Papi. Für Lenchen. Das kleine Hascherl, fast selbst noch ein Kind.
Au Backe! Funktionierte das etwa so zwischen uns? Daddy Longlegs und das Bienchen Maja?
Ich schüttelte unwillig den Kopf. Ach was, er war doch bloß Holger. Der gute, alte, manchmal etwas griesgrämige Holger. Mein Mann. – Mein Freund?
* * *
In der darauf folgenden Woche traf ich den Professor in der Lampenabteilung unseres Baumarkts wieder. Fast hätte ich ihn nicht erkannt. Er musste den Weg zum Friseur gefunden haben. Bart und Haare waren radikal gestutzt, und er sah richtig zivil aus, wie die gezähmte Ausgabe meines Bilderbuchprofessors. Aber er gefiel mir. Sein Gesicht wirkte breiter, sein Lächeln auch.
»Lena! Was machen Sie denn hier?«, rief er überrascht. Anscheinend hatte er vergessen, dass er mich zuletzt geduzt hatte.
»Ich suche eine Lampe – was sonst? Und was, um Himmels willen, haben Sie vor?«, fragte ich mit einem Blick auf seinen Einkaufswagen, auf dem sich drei Tapeziertische stapelten. »Wollen Sie einen
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