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Herr Bofrost, der Apotheker und ich

Herr Bofrost, der Apotheker und ich

Titel: Herr Bofrost, der Apotheker und ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Neuffer
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ersten Mal seit langer Zeit war ich richtig froh. Fast übermütig.
    Als wir wieder ins Wohnzimmer traten, erschien Mama Spenger mit dem Kaffeetablett, und wir setzten uns alle auf die geblümten Chintzsofas. Englischer Stil, das war Mama Spengers Ding. Bei ihr fühlte man sich immer ein bisschen wie in einem Rosamunde-Pilcher-Film. Normalerweise irritierte mich das, aber heute fand ich es passend. Verwirrende Gefühle zwischen Blumenmustern und Silberrähmchen.
    Das Gespräch wandte sich jetzt harmlosen Themen zu. Dem Freizeitwert Hamelns, den Einkaufsmöglichkeiten in der näheren und ferneren Umgebung. Das Übliche eben, keine weiteren Grundsatzdiskussionen. Kerstin gab ein paar Anekdoten aus dem Kindergarten zum Besten, zu denen der Professor pflichtschuldigst lächelte. Ich hatte nicht den Eindruck, dass er Kerstins Entzücken über die putzigen Kleinen teilte.
    Ein paar Minuten nach elf brach er auf. Wahrscheinlich konnte er es gar nicht erwarten, in eine nichtraucherfreie Zone zu kommen. Er bedankte sich artig für das ausgezeichnete Essen, versprach, sich zu revanchieren, wenn er erst fertig eingerichtet sei, und dann war er weg. Auch Holger drängte zum Aufbruch. Ich schlug vor, dass Kerstin mit uns fahren solle, und Papa Spenger versprach, ihr Fahrrad gleich Montag früh in die Werkstatt zu bringen.
    Auf der Rückfahrt redeten wir nicht viel. Ich war müde und ein bisschen überfressen, und den anderen ging es wohl ähnlich.
    Zumindest dachte ich das, bis Kerstin ausgestiegen war. Da begriff ich, dass Holgers Schweigen nicht friedlichem Behagen, sondern düsterem Groll entsprang. »Sag mal, was hast du dir eigentlich dabei gedacht, dich derart an diesen Professor Sassnitz heranzuschmeißen?«
    »Bitte? Was habe ich getan?« Ich war fassungslos.
    »Komm, Helena, nun tu nicht so, als wüsstest du nicht, wovon ich spreche!«
    »Holger, ich habe keine Ahnung, wovon du sprichst!« Glaubte er, der Professor und ich hätten wilden Sex auf Mama Spengers Terrassenmäuerchen gehabt oder was?
    »Also, Helena, bitte! Dass du dich mit diesem Mann stundenlang draußen in die Eiseskälte setzt, spricht doch wohl Bände!«
    »Du lieber Himmel, Holger, jetzt mach mal halblang! Wir haben eine Zigarette geraucht, und von stundenlang kann keine Rede sein. Das waren höchstens fünf Minuten!«
    »Und worüber habt ihr geredet?«
    »Ach, über dies und das. Wie ihm Hameln gefällt und so.« Kleine Notlüge. Aber unser Schweigen hätte Holger wohl noch verdächtiger gefunden.
    »Und?«, giftete er nun. »Gefällt es ihm? Wahrscheinlich schon, wenn er bei seiner ersten Einladung gleich so umschwänzelt wird. Hast du dir mal überlegt, wie das auf meine Eltern gewirkt haben muss? Und auf Kerstin?«
    Mit einem aggressiven Schlenker kurvte er in unsere Einfahrt und betätigte die Fernbedienung für das Garagentor. Vorsichtig manövrierte er den Wagen an seinen Platz. Dass sein kostbarer BMW einen Kratzer bekam, riskierte er selbst in der größten Rage nicht.
    Wir gingen wortlos ins Haus. Ich verschwand sofort in der Küche, um mir eine heiße Milch mit Honig zu machen. Nach Holgers absurden Beschuldigungen musste ich mich erst mal beruhigen. Holger hingegen stiefelte ins Schlafzimmer. Manchmal hatte ich den Verdacht, dass eine anständige Portion Adrenalin auf ihn so wirkte wie auf andere Menschen Baldrian.
    * * *

Und richtig. Am nächsten Tag war er wieder friedlich wie ein Lamm. Er brachte mir das Frühstück ans Bett und schlug einen Spaziergang vor. Der Tag war klar und blau, unter unseren Füßen knirschten drei Zentimeter Schnee, wir kriegten rote Nasen, und Holger fand, die Luft schmecke nach Schwarzwald. Mir wurde ganz warm bei der Erinnerung an unseren ersten gemeinsamen Urlaub im Spenger'schen Ferienhaus.
    Das war mein erster schöner Winter gewesen. Schnee und Sonne und Holger im Überfluss. Pudelnass und lachend waren wir abends in das Häuschen zurückgekehrt, hatten nackt und befriedigt vor dem Kamin gelegen und uns über Mama Spengers Porzellanfigürchen amüsiert, die lüstern-indigniert auf uns herabblickten.
    Holger legte wohlwollend den Arm um mich und lächelte. »Entschuldige, dass ich gestern Abend so unfreundlich war, Kleines. Aber dieser Sassnitz hat mich ganz kirre gemacht. Was der da für einen Unsinn geredet hat!«
    Hm. Fand ich nicht so. Na ja, vielleicht war seine Argumentation etwas abstrus gewesen, aber das Ergebnis hatte ich prima gefunden.
    »Hör mal, Lenchen, wir sollten jetzt langsam mal

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