Herr Bofrost, der Apotheker und ich
fröhlich und griff zur Karte, die auf dem Tisch lag.
Nein, schick war es hier nicht. Von der Decke hingen verstaubte Chianti-Flaschen, umrankt von künstlichem Efeu, in einer Ecke stand auf einem Sockel eine Caesar-Büste, Marmor-Imitat, die man wahrscheinlich mit dem kleinen Finger umstoßen konnte.
Aber es duftete nach Fisch und Knoblauch, und die Karte sah viel versprechend aus. Ich entschied mich für Antipasti und Pizza mit Meeresfrüchten.
Bei den Vorspeisen fragte das Mainzelmännchen mich aus, und ich erzählte ihm, wie ich von meiner Kunstlehrerin getriezt worden war, wie Klaus mich entdeckt und mit Gertrud Teichmann zusammengebracht hatte. Von Hameln und Holger erzählte ich auch ein bisschen.
Als wir beim Hauptgericht waren, drehte ich den Spieß um. Und erfuhr, dass er sich vor drei Monaten von seiner Lebensgefährtin getrennt hatte, einvernehmlich. Unvereinbarkeit der Lebensstile. Sie stand auf Sonntagmorgen-Vernissagen, das Mainzelmännchen wollte ausschlafen. Sie träumte von Barbados, dem Mainzelmännchen reichte Baltrum.
»Und?«, fragte ich vorsichtig. »Schlimm?«
Das Mainzelmännchen grinste schief »Wie man's nimmt. Ich bin nicht traurig, weil diese Beziehung vorbei ist, aber ich bin nicht gern allein. Ich hasse es, wenn ich abends nach Hause komme und niemand da ist, dem ich erzählen kann, was am Tag so los war.«
Das verstand ich gut. Obwohl – ich erzählte nie, was so los gewesen war am Tag. Doch ich wusste genau, was er meinte. Eine kurze Erinnerung flog mich an, an den Tag, an dem ich das Mainzelmännchen kennen gelernt hatte. Da hatte ich das einmal gehabt, so ein Verdauungsgespräch. Und wenn ich mich recht erinnerte, hatte ich damals gedacht, dass das ein Luxus sei, an den ich mich hätte gewöhnen können.
»Fährst du heute noch zurück?«, fragte das Mainzelmännchen beim Espresso.
»Nein. Meine beste Freundin wohnt hier in Hamburg. Und da ich schon mal hier bin ...«
»Malt sie auch?«
»Sie macht ihren Facharzt in Gynäkologie.«
»Ach, du liebes bisschen!«, entfuhr es dem Mainzelmännchen. »Äh, ich meine ... Das ist sehr ehrbar.«
Ich kicherte. »Hast du was gegen Gynäkologen?«
»Überhaupt nicht. Aber ich habe einen ungeheuren Respekt vor Ärzten. Abi-Durchschnitt von eins Komma null und so ... Ich habe Germanistik und Anglistik studiert, weil mein Schnitt so schlecht war.«
Das klang so zufrieden, dass ich nachhakte: »Du hast keinen ungeheuren Respekt vor Leuten mit einem Schnitt von eins null, sondern ungeheuren Abscheu, stimmt's? Du hältst sie für Streber.«
»Diejenigen, die aus meinem Abi-Jahrgang zum Medizinstudium zugelassen wurden, waren jedenfalls Streber.«
»Laura ist keine Streberin, sie ist nett! Ehrlich, du würdest sie mögen.«
»Tja, vielleicht.« Das Mainzelmännchen klang ausgesprochen skeptisch.
»Nein, bestimmt! Sie ist warmherzig und witzig und humorvoll und ... na, eben nett. Wenn wir zusammen sind, fühle ich mich wieder wie fünfzehn.«
»Und das ist gut?« Das Mainzelmännchen starrte mich ungläubig an.
»Das ist phantastisch! Mit fünfzehn hast du keine Sorgen. Das Einzige, was nervt, sind die Erwachsenen, aber die vergisst du ganz schnell, wenn du mit deiner besten Freundin allein bist.«
»Und? Hat sie jetzt keine Familie?«
»Sie ist nicht verheiratet, wenn du das meinst. Sie lebt allein.«
»Und dabei ist sie glücklich?« Das Mainzelmännchen klang nun erst recht ungläubig.
»Na ja, sie hat eine Beziehung. Aber der Typ ist verheiratet. So glücklich ist sie nicht.«
Das Mainzelmännchen säbelte energisch an seiner Pizza. »Also doch – eine Streberin mit Beziehungsängsten«, sagte er grimmig.
»So ein Blödsinn! Du kennst sie doch gar nicht! Sie ist keine Streberin, sie ist einfach intelligent. Und Bindungsängste hat sie schon gar nicht, das ist ja nun echter Schwachsinn. Sie will sich ja binden, nur der Typ kann nicht. Oder will nicht.«
»Wenn jemand sich auf eine aussichtslose Beziehung einlässt, hat er Bindungsängste«, erklärte das Mainzelmännchen resolut. »Sonst tut man sich so'n Scheiß nicht an.«
Na, der schien ja genau zu wissen, wo es langging! Warum war er nicht Paartherapeut geworden? Ich beschloss, das Thema zu wechseln: »Sag mal, sind wir jetzt wirklich fertig mit dem Katzenbuch?« Ich konnte es kaum glauben. In den letzten Nächten hatte ich sogar von Katzen geträumt.
»Ich denke, ja. Vielleicht will der Layouter noch etwas, aber das kann sich nur um Kleinigkeiten handeln. Ich
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