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Herr Bofrost, der Apotheker und ich

Herr Bofrost, der Apotheker und ich

Titel: Herr Bofrost, der Apotheker und ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Neuffer
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bekräftigte ich. »Ich fühle mich scheißkackverarscht! Ich dachte, wir machen Urlaub! Und du organisierst hinterrücks und klammheimlich einen Putzmarathon! Bin ich dir eigentlich total egal, oder was?«
    »Helena, nun beruhige dich!« Holger streckte die Hand nach meinem Knie aus.
    Ich stieß sie weg. »Scheiße, echt! Wenn ich geahnt hätte, was hier auf mich zukommt, wäre ich nie mitgefahren! Ich habe weiß Gott Besseres zu tun, als das dämliche Ferienhaus deiner Eltern auf Vordermann zu bringen! Ich hasse es sowieso! Das ganze Ding ist doch die spießigste Ferienklitsche, die man sich überhaupt vorstellen kann!«
    Holger, der fünfzehn Meter freie Strecke hatte, raste los und bremste erst im letzten Moment vor der Baustelle ab. »So denkst du also.«
    »Ja! Meinst du, es sei das Ziel meiner Träume, zweimal im Jahr in den Schwarzwald zu fahren, und das war's?! Weißt du, es gibt noch mehr auf dieser Welt als Hameln und das Kuhkaff da unten!«
    »Ja, ich weiß!« Nun brüllte auch er. »Dein geliebtes Griechenland, wo du so glücklich warst!«, polterte er voller Hohn.
    »Glücklicher als mit dir!«, schrie ich zurück.
    Schweigen.
    Wir passierten die Baustelle. Holger trat befreit aufs Gas.
    Ich grübelte.
    »Ich muss mal«, sagte ich zweihundert Kilometer später.
    Holger sah mich verächtlich von der Seite an. Hatte er noch nie etwas von weiblicher Harninkontinenz gehört? Er hielt an der nächsten Raststätte. Wetterau. »Beeil dich! Wir haben genug Zeit verloren!« Es klang, als sei das meine Schuld.
    Ich angelte meine Handtasche vom Rücksitz. »Ich muss noch an den Kofferraum, an meine Reisetasche. Ich habe meine Tage gekriegt.«
    Holger rollte mit den Augen. »Dann tanke ich inzwischen«, sagte er und legte den Rückwärtsgang ein. Er fuhr an, bevor ich die Kofferraumklappe richtig schließen konnte.
    Ich sah mich um, umklammerte fest meine Taschen und rannte auf den nächsten Lkw zu, der etwa fünfzig Meter von mir entfernt stand. Aus Hamburg, das war gut! Ich riss die Beifahrertür auf. »Können Sie mich mitnehmen?«, keuchte ich atemlos. »Ich bin gekidnappt worden! Sie müssen mir helfen!«
    »Jekidnappt? Na, denn steig ma' ein, Kleene!«
    Ich wuchtete die Taschen hinauf, kletterte hinterher und kauerte mich zwischen Armaturenbrett und Sitz. Als ich aufsah, blickte ich in ein amüsiertes, breites, bartstoppeliges Gesicht und auf einen riesigen Bauch. Ein Obelix-Typ. »Jekidnappt?« Blitzende, blaue Augen, gelbzahniges Grinsen. »Und det soll ick dir globen? Hast Zoff mit deinem Ollen, wa?«
    Det war keen Hamburger. Eher 'n Baliner. Ejal! »Wo fahren Sie hin?«, fragte ich.
    »Nach Basel. Aba ick setze dir in Frankfurt ab, wenn de willst. Fahr dir sogar runter vonne Autobahn. Bist ja 'ne Süße!« Er lachte dröhnend.
    »Gleich?«
    »Von mir aus. Ick kann ooch später Pause machen, hab noch Luft uff 'm Fahrtenschreiber«, meinte er gleichmütig, ließ seinen Motor an und legte den Gang ein.
    Ich blieb vor der Sitzbank hocken und umklammerte meine Taschen. »Hatter dir betrogen, der Olle, wa? Ick hatte ma' eene, die hat keen Bett ausjelassen, wenn ick uff Achse war: Aba ick bin ihr dahinterjekommen, und ick sach dir, da war wat los! Det hatse nich' nochma' jewagt. Aba war trotzdem nich' det Richtige ...«
    Als wir in Frankfurt von der Autobahn abfuhren, kannte ich die komplette Liste seiner Beziehungskisten. Jetzt lebte er mit na janz Soliden, Putze im Senat, nich' jrade 'ne Intellejenzbestje, aber treu. Wat Reelles ebend. Und wat fürs Herz. Braucht man ja ooch. »Hier lass ick dir raus. Da iss 'n Taxenstand. Kohle haste ja wohl, wa? Denn mach's ma' jut, Kleene!«
    Ich nickte, kletterte erleichtert aus seinem Cockpit und wünschte ihm ooch allet Jute.
    Am Frankfurter Hauptbahnhof hatte ich Glück. Der nächste ICE nach Hamburg fuhr in zehn Minuten. Ich kaufte mein Ticket, sank in einen breiten Fenstersitz und schloss die Augen. Trotz des festen Ziels hatte ich keine Ahnung, wohin die Reise gehen sollte.
    Weg von Holger, das war bislang mein einziger Gedanke gewesen. Weg von all der Spenger-Zwängigkeit, von ihrem Ferienhaus, ihrer Enge, ihren Zinnvasen. Weg von dieser ganzen verdammten Gemütlichkeit.
    Aber wohin? Zurück ins Alleinsein? – Nein, ich war nicht allein. Ich hatte Katharina und Nina und Laura und meine Arbeit. Max. Und Ching Li. Ich konnte mir eine Wohnung suchen, irgendwo, und malen.
    Mit Holger jedenfalls war ich fertig. Ein für alle Mal! – Ich hatte es versucht. Ich hatte es

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