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Herr Bofrost, der Apotheker und ich

Herr Bofrost, der Apotheker und ich

Titel: Herr Bofrost, der Apotheker und ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Neuffer
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sie hat sich gerade getrennt und ist noch etwas angeschlagen. Außerdem muss sie mich führen«, fügte ich dramatisch hinzu.
    Max seufzte. »Also gut, bring sie mit. Können wir uns trotzdem in der Pizzeria treffen, oder ist das zu proletarisch für Frau Doktor?«
    »Sie wird sich arrangieren«, sagte ich schmunzelnd. Der würde sich wundern! Wenn er Laura erst sah, würde er schon kapieren, dass nicht jeder, der etwas auf dem Kasten hatte, zwangsläufig ein sozialer und emotionaler Krüppel sein musste.
    Trotzdem hatte ich fast ein bisschen Lampenfieber, als Laura und ich die kleine, schummerige Pizzeria betraten. Was, wenn die beiden sich tatsächlich nicht mochten?
    Max saß ganz hinten, am letzten Tisch vor der Wand, neben dem wackeligen Ytong-Cäsar. Er hatte schon ein großes Glas Bier vor sich auf dem Tisch stehen und salzte gerade mit Hingabe ein Stück ölglänzendes Pizzabrot.
    »Hi!« Ich tat forsch und selbstsicher und wies mit so etwas wie Stolz in der Stimme auf Laura. »Das ist meine Freundin Laura. Und das ist Max.«
    Max stand auf und reichte Laura die Hand. Ich bemerkte seine Verblüffung. Er sah Laura mit großen Augen an, sein Blick flackerte über ihre wilde, rote Mähne, blieb schließlich in ihren Augen hängen. »Sie sind ... die Ärztin?« Als hätte ich ihm King Kong angekündigt und wäre mit der bezaubernden Jeannie aufgekreuzt.
    »Ja – wieso?« Laura sah ihn verdutzt an.
    Weil er eine verbiesterte Zicke erwartet hatte, mit Haarschnecken über den Ohren, einem wadenlangen, karierten Rock und so viel Humor wie ein Besenstiel, dachte ich, sagte aber nichts. Natürlich hatte ich ihr Max' dämliche Vorurteile verschwiegen so was auch nur zu wiederholen lag unter meiner Würde!
    »Nun kommt, seid nicht so steif!«, sagte ich. »Ihr könnt euch doch duzen.«
    »Na klar! Und setzen!«, stimmte Max erfreut zu und deutete auf die Plätze ihm gegenüber. »Was wollt ihr trinken?«
    »Pinot Grigio«, sagten Laura und ich gleichzeitig. »Und Wasser.«
    Max lachte und zwinkerte mir zu. Ich warf einen triumphierenden Blick zurück. Siehst du, sagte der, ich habe Recht gehabt. Du magst sie!
    Und wie er sie mochte! Und sie ihn. Sie spulten das gesamte Programm ab, wie sie Hamburg fanden, was ihr Beruf ihnen bedeutete, entdeckten, dass sie beide Italien-Fans waren, freuten sich, als herauskam, dass sie beide außer »buon giorno« und »grazie« kein Wort Italienisch konnten, und als Max sich schließlich noch als ebenso großer Kino-Muffel wie Laura outete und zugab, dass er alle großen Filme, wenn überhaupt, nur auf Video gesehen hatte, war das Eis endgültig gebrochen. Wir lachten und quatschten und wurden irgendwann ganz albern. Und ich fühlte mich so glücklich wie lange nicht mehr. Ausgelassen, unbeschwert und weit, weit weg von Hameln.
    * * *
    Laura erholte sich bemerkenswert schnell. Am Donnerstagabend meinte sie, ich solle ruhig wieder nach Hause fahren, sie komme auch ohne mich zurecht, und sie wolle nicht, dass Holger am Ende noch sauer werde. Holger war allerdings bereits stocksauer, er hatte sich seit Samstag kein einziges Mal gemeldet, und wenn ich ihn in der Apotheke angerufen hatte, war er äußerst einsilbig gewesen. Sonderbarerweise machte es mir nicht sehr viel aus. Es gelang mir ganz gut, seine anstrengenden Befindlichkeiten zu verdrängen. Ich stromerte stundenlang durch die Stadt, kaufte ein bisschen ein, bummelte durch Buchhandlungen, trank Kaffee an der Alster, malte an Lauras besonntem Küchentisch – es war wie früher, und langsam bekam ich fast wieder das Gefühl, zu dieser Stadt zu gehören. Von mir aus hätte das ewig so weitergehen können. Allerdings, wenn es ewig so weitergegangen wäre, hätte meine bemerkenswerte Charakterfestigkeit womöglich doch irgendwann versagt. Ein paar Mal nämlich hatte ich das Telefon schon in der Hand gehabt. Einmal tippte ich, probehalber sozusagen, sogar die Nummer ein. Mit Herzklopfen. Eine winzige Fingerbewegung, eine Zuckung nur war ich entfernt von grün gepunkteter Glückseligkeit. Aber ich riss mich am Riemen und zuckte nicht – heroisch, wie ich fand, und nahezu übermenschlich erwachsen. Doch wenn ich hier blieb, so nah, wie lange würde ich das dann noch durchhalten?
    Laura hatte Recht. Ich musste nach Hause fahren. Dort gehörte ich hin, nicht in diese Stadt. Dieser Teil meines Lebens war vorbei. Ich war eine verantwortungsbewusste, verheiratete Frau. Erwachsen eben.
    So erwachsen, so unhysterisch, dass sich die Lage zu

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