Herr Bofrost, der Apotheker und ich
frische Jeans, frisches T-Shirt.
Holger lag immer noch auf dem Bett. Breitbeinig, schnarchend. Sein Schwanz war schlaff, rot und kümmerlich. Ein mickriges, feuchtes Würstchen. Kurz dachte ich an den wuchtigen Messerblock, den Mama Spenger mir vor einigen Jahren zu Weihnachten geschenkt hatte, solide Solinger Ware, breite Klingen.
Ich brühte mir in der Küche einen Kaffee auf. Während ich wartete, bis er durchgelaufen war, rauchte ich eine Zigarette. Die Asche schnippte ich ins Spülbecken und ließ die nasse Kippe im Becken liegen, als ich hinaufging. Das war ja nun wohl egal.
Oben sah ich mich um. Was, außer meinen Malsachen, sollte ich mitnehmen? Am liebsten hätte ich sofort alles eingepackt, doch weder hatte ich genügend Kisten, noch würde ich sie transportieren können. Also würde ich mich mit dem Allernötigsten begnügen müssen. Ich konnte froh sein, wenn ich das in meinem kleinen Auto unterkriegte. Zum ersten Mal verstand ich, warum so viele Eheleute, auch wenn sie keine Kinder hatten, einen Variant fuhren – sie waren einfach lebensklug genug, für den Fluchtfall vorzusorgen. Ich hingegen hatte gedacht, ein ganzes harmonisches Leben lang fröhlich in einem schicken, kleinen Sportwagen durch die Gegend flitzen zu können. Aber ich hatte ja auch nicht damit gerechnet, am helllichten Vormittag von Holger, dem Guten, notgezüchtigt zu werden. So konnte man sich täuschen. Im Leben, in den Menschen, in allem, was gut und sicher schien. – Dabei hatte er sich doch gefreut, mich zu sehen, oder hatte ich da auch etwas missverstanden? Aber sein Lächeln vorhin in der Tür war echt gewesen. Kein bisschen zynisch oder gemein.
Ich schaltete mein Notebook ein, um meine E-Mails abzurufen. Nichts. Wieder nichts. – Auch das war meine eigene Schuld. Hatte ich eigentlich nur Fehler gemacht in der letzten Zeit? Es schien so. Steffen in die Wüste zu schicken und zu glauben, mit Holger in blühenden Landschaften leben zu können, war gewiss einer gewesen.
Ich blickte trüb auf den Bildschirm und trank meinen Kaffee.
Auf Zehenspitzen schlich ich die Treppe hinunter. Je länger Holger schlief, desto besser. Ich raffte aus dem Verschlag unter der Treppe einen Koffer und alles an Reisetaschen zusammen, was ich finden konnte, schlürte sie nach oben und begann zu packen. Den »Mephisto« zuerst, dann die Bärendose. Ich legte meine Malutensilien darauf. In den Koffer packte ich meine Bilder. Alle. Holger hatte sich zwar nie dafür interessiert, aber jetzt schien es mir sicherer, sie mitzunehmen. Wer Frauen schändete, war erst recht in der Lage, Bilder zu kompostieren.
Was brauchte ich noch? Ein paar Bücher? CDs? – Quatsch, das alles hatte Zeit. Vielleicht sollte ich allmählich einmal anfangen, praktisch zu denken. Also stopfte ich die Ordner mit meinen Zeugnissen, Verträgen und Kontoauszügen in eine zweite Tasche. Okay, das war's. Viel mehr würde ich auch kaum in meinem Auto unterbringen. Ein paar Klamotten noch, das musste fürs Erste reichen. Und das Notebook natürlich! Ich setzte mich an den Tisch, zündete mir noch eine Zigarette an, trank den Rest Kaffee, kalt und süß, und fuhr Windows hinunter. Als ich gerade die Kabel lösen wollte, stand Holger plötzlich im Zimmer, wie aus dem Boden gewachsen. In T-Shirt und braun-grau karierten Boxershorts. Sehr Holger-untypisch, sich derart leicht bekleidet im Haus zu bewegen. Noch dazu so lautlos. Ich hatte ihn nicht kommen hören.
»Darf ich fragen, was du hier machst?« Er klang drohend.
Ich nahm die Kippe aus dem Mund. »Ich packe!«
»Du packst?!« Holger schoss auf mich zu. Er schloss eine wütende Faust um mein Handgelenk und riss die Zigarette aus meiner Hand. Angewidert warf er sie in den Aschenbecher. »Du packst? Was fällt dir ein?!«
»Zu dir gar nichts mehr.« Ich sah ihm fest in die Augen, aber der Griff um meinen Arm lockerte sich nicht. Im Gegenteil. »Kannst du mich vielleicht mal loslassen?!«, zischte ich. »Du tust mir weh.«
»Na und!« Er ließ los, mit einem heftigen Stoß, sodass ich gegen die Tischkante prallte. Was machte es schon? Ein blauer Fleck mehr, darauf kam es nun wirklich nicht mehr an. Vielleicht würde ich noch zwei, drei Knuffe einstecken müssen, aber zu wesentlich mehr würde Holger keine Gelegenheit haben. In zehn Minuten war ich hier raus. Für immer!
Ich trennte das Druckerkabel vom Notebook, es konnte hier bleiben mitsamt dem Drucker. Überhaupt, alles, was man neu kaufen konnte, konnte hier bleiben. Wenn es
Weitere Kostenlose Bücher