Herr Bofrost, der Apotheker und ich
nicht wegzuziehen. Am liebsten hätte ich sie ihm ins Gesicht geschlagen. Doch ich hatte andere Waffen.
Ich löste meine Hand sanft aus seiner, schenkte Tee nach und blinzelte lieb. »Holger, darf ich Laura anrufen? Ich habe bei ihr ein Bild liegen lassen, das ich unbedingt brauche.«
»Aha, da hast du also gesteckt, das habe ich mir gedacht. Na, ruf sie nur an, das ist schon in Ordnung.« Holger war die Jovialität selbst. »Komm, wir gehen in mein Zimmer, und du kannst von da aus telefonieren.«
Natürlich wollte er mithören. – Von mir aus! Ich hatte nichts zu verbergen. Ich doch nicht!
»Soll ich den Lautsprecher einschalten?«, fragte ich sonnig, als wir in seinem Arbeitszimmer saßen. Ich hatte mit schnellem Blick den Schreibtisch abgesucht. Von meinem Handy keine Spur. Wahrscheinlich hatte Holger es im Kompost versenkt.
»Warum nicht?«, erwiderte Holger gleichgültig und machte sich an seinem Computer zu schaffen, um mir zu zeigen, dass er Wichtigeres zu tun hatte, als meinen banalen Gesprächen zu lauschen. Aber ich sah den Triumph in seinen Augen. Er war sich so sicher, dass er mich klein gekriegt hatte!
Ich erreichte Laura sofort. »Lena! Wo steckst du? Ich habe die ganze Zeit versucht, dich anzurufen! Aber dein Handy war ausgeschaltet.«
Aha. Holger hatte es zerlegt, jede Wette. »Ich bin in Hameln. Laura, ich musste mich einfach mit Holger versöhnen, ich war so unglücklich letzte Nacht.« Ich hörte, dass sie nach Luft schnappte und etwas sagen wollte, und fuhr schnell fort: »Ich bin heute zu ihm gefahren, und ich bin so sauglücklich darüber! Es ist alles wieder gut! Er hört jetzt sogar mit, Laura, weil wir so sau glücklich sind! Echt, sau glücklich!«
Ich hielt den Atem an. Kapierte sie? ›Ich bin sau glücklich‹, hatten wir früher immer gesagt, wenn gar nichts stimmte. Wenn wir uns krümmten unter dem Stress, den Schule, erste Liebe und das Erwachsenwerden machten, kurz, wenn das Leben total daneben war. Es war unsere pubertäre Flucht in Ironie gewesen. Und damals hatte sie – manchmal – geholfen.
»Lena«, rief Laura so begeistert, dass Holger für einen kurzen Moment aufsah, »ich freue mich so für dich! Du hättest mir nichts Besseres erzählen können! Das macht mich auch sauglücklich! Du musst unbedingt bald kommen und mir das alles haarklein berichten!«
»Ach, Laura, nein. Ich muss jetzt erst mal bei Holger bleiben, es ist so schön hier! Da kann ich einfach nicht weg.«
»Ja«, sagte Laura, »ich verstehe.«
Inzwischen war ich sicher, dass sie mich verstand. »Ich melde mich in ein paar Tagen, ganz bestimmt«, versprach ich. »Weißt du, mein Festnetzanschluss ist gestört, wir haben hier eine Baustelle, und so ein Idiot hat das Kabel gekappt. Und der Akku von meinem Handy spinnt auch, darum kann ich nur von Holgers Apparat telefonieren.«
»Das klingt ja wirklich super!«, sagte Laura. »Am liebsten würde ich sofort zu euch kommen.«
Wenn du einen Molotow-Cocktail mitbringst, bist du herzlich eingeladen, dachte ich. »Nein. Laura, das ist lieb, aber erst mal möchte ich mit Holger allein sein. Under my cover, sozusagen, wenn du verstehst, was ich meine.«
Holger warf mir einen irritierten Seitenblick zu.
Laura kicherte. »Ja, ich denke, ich weiß, was du meinst. Wie schön für euch! – Soll ich Katharina und Nina anrufen und ihnen von dieser glücklichen Wendung erzählen, oder machst du das selbst?«
»Ach, ruf du sie nur an. Du kannst ihnen das viel besser erklären als ich. Du verstehst mich, das habe ich immer gewusst!«
»Lenchen, ich verstehe dich so gut! Und ich bin sicher, dass du das Richtige tust. Sehen wir uns bald?«
»Na klar! – Aber, Laura, warum ich dich anrufe: Kannst du mir das halbfertige Bild schicken, das auf deinem Küchentisch liegt? Ich hab's vergessen.«
»Gut«, sagte Laura knapp. »Ich melde mich in drei Tagen bei dir, ist das okay?«
»Das wird nicht nötig sein. Ich melde mich vorher!«
Nachdem wir uns verabschiedet hatten, blickte Holger mich durchdringend an. »In Zukunft reicht es, wenn ihr einmal pro Woche telefoniert«, erklärte er schmallippig.
Ich blieb still sitzen und faltete brav die Hände im Schoß. »Aber Holger, Schatz«, sagte ich sehr sanft. »Bisher haben wir fast täglich telefoniert. Ich muss sie doch langsam entwöhnen.«
Das schien ihm einzuleuchten. Er wandte sich wieder seinem Computer zu.
»Was wollen wir denn heute Abend noch machen?«, fragte ich ratlos. Ich hatte wirklich keine Idee. Mein
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