Herr Bofrost, der Apotheker und ich
wusste, dass ich auf dem richtigen Weg war. Jetzt würde alles wieder so werden wie früher, dachte ich zufrieden, als ich in das knackige Brötchen biss und aus dem Fenster über die weiten, flachen Wiesen blickte, die sich unter der Pfingstsonne erstreckten.
In Hameln nahm ich mir ein Taxi. Als es vor unserem Haus hielt, verpuffte mein Optimismus schlagartig und machte dumpfem Schrecken Platz: In der Einfahrt stand Holgers Auto. Verdammt! Damit hatte ich nicht gerechnet. Dermaßen eilig hatte ich es mit dem klärenden Gespräch nun auch nicht gehabt. Ich bezahlte den Taxifahrer und wankte auf wackeligen Beinen die Einfahrt hinauf. Ich hörte das Taxi wegfahren und kramte in meiner Handtasche nach dem Schlüssel.
Holger öffnete die Tür. Groß und dunkel stand er vor mir. Hagerer, als ich ihn in Erinnerung hatte. Ich umkrampfte die Griffe meiner Tasche und starrte erschrocken zu ihm auf.
Er lächelte. Auch mit den Augen. Sonnig blau. Ich ließ die Taschen fallen und stürzte in seine Arme. Ich barg mein Gesicht an seiner Brust, atmete Holger. Einfach Holger. Der gute vertraute Holger. Mein Halt, meine Zuflucht. Mein Bollwerk gegen das Chaos, das ich immer anrichtete.
»Na, komm, Kleines, komm erst mal herein«, sagte er, zog mich in den Flur, sammelte meine Taschen auf und schloss die Tür.
Ich konnte es nicht abwarten, klammerte mich an ihn, drängte in seinen Arm, wollte seine Nähe, sonst nichts. Nur kuscheln und heulen und wieder zu Hause sein. Vor allem das. Mit allen Sinnen wieder zu Hause sein. »Schlaf mit mir«, bat ich. »Jetzt.« Scheiß auf das klärende Gespräch, das konnte warten. Ich wollte Holger spüren, seine Wärme, seine Zärtlichkeit, seine Liebe. Seine Haut. Seine Kraft. Sofort.
Und ich bekam sie zu spüren, hart, schmerzhaft, besitzergreifend. Wir waren kaum im Schlafzimmer angelangt, hatten uns die Kleider vom Leib gezerrt, als er keuchend und ohne mich anzusehen in mich eindrang. Er krallte seine langen Finger in meine Brüste, in meinen Po, knetete, dass es schmerzte, wieder und wieder. Als ich hilflos protestierte, drückte er mir seine Zunge in den Mund, riesig und feucht wie eine Schlange. Ich ächzte, stemmte mich gegen ihn. Aber keine Chance. Ich war zu klein, zu schwach und zu entsetzt. Ich gab nach und ertrug es. Ich schloss die Augen, blendete mich aus. Dies geschah nicht mir. Ich war woanders, irgendwo. Vielleicht schwebte ich, leicht wie ein Geist, unter der Zimmerdecke, blickte hinab auf Holgers weißen, verkniffenen Arsch, der sich in wütendem Rhythmus hob und senkte, hob und senkte. Vielleicht war ich ein Insekt, hirn- und fühllos, aufgespießt von einem fanatischen, sadistischen Botaniker. Vielleicht war ich auch einfach tot. – Nein, das wohl nicht. Dann hätte ich nicht mehr aufgeschrien, als Holgers Finger sich um meine Brüste krampften und er röhrend abspritzte wie ein durchgedrehter Hirsch. Mein Schrei erstarb, als er auf mich sackte.
Ich stieß meine Fäuste gegen seine Schultern. »Lass mich! Sofort!« Meine Stimme klang hohl und spitz. Aber sie wirkte. Holger rollte von meinem Körper und blieb schwer atmend liegen.
Ich floh. Jeder Knochen, jeder Muskel tat mir weh, aber unter dem Schmerz erwachte eine Energie, die mich, ohne dass ich recht wusste, wie mir geschah, unter die Dusche katapultierte. Ich ließ das heiße Wasser über meinen Körper strömen, auf Kopf und Schultern prasseln, dampfend und irgendwie tröstend. Ich seifte mich ein, massierte den Schaum in alle Poren, spülte ihn ab, begann von neuem. Ich wusch und spülte, wusch und spülte. Fünfmal, sechsmal. Ich konnte nicht genug kriegen. Erst als ich die blauen Flecken entdeckte, die sich auf meinen Brüsten bildeten, hatte ich das Gefühl, sauber zu sein. Sie bestätigten, was geschehen war, machten es real. Und sonderbarerweise half das, ich hatte meine Identität wieder. Ich war wieder da: Lenchen, grün und blau gebumst. Vergewaltigt. Von Holger – dem Schutz, dem Hort, dem liebenden Gatten.
O ja, ich war wieder da! Nachdem ich dies überlebt hatte, konnten mich andere fiese, haarige Tiere nicht mehr schrecken! Meine Güte, warum hatte ich mich in der letzten Nacht nur so einschüchtern lassen? Ich war doch schon auf dem richtigen Weg gewesen. Und nur, weil ich einmal nicht gut geschlafen hatte, wollte ich nun eine Hundertachtzig-Grad-Kurve drehen? Blöd, Lenchen, blöd!
Ich stellte die Dusche ab, trocknete meine wunde Haut und cremte sie ein. Ich zog mich an. Frische Unterwäsche,
Weitere Kostenlose Bücher