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Herr der Daemmerung

Herr der Daemmerung

Titel: Herr der Daemmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa J. Smith
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obwohl sie noch immer das schwache Echo des dünnen silbernen Fadens spüren konnte, wie eine Gitarrensaite, die summte, nachdem sie angeschlagen worden war.
    »Hey, Morgead ...«
    »He, schläfst du noch ...?« Mehrere lachende, lärmende Gestalten drängten in den Raum. Aber das Gebrüll brach jäh ab, als sie Jez erblickten.
    Es folgte ein Aufkeuchen, dann Stille.
    Jez stand auf und wandte sich ihnen zu. Sie konnte es sich nicht länger leisten, müde zu sein; jeder Muskel war jetzt wieder leicht angespannt, alle Sinne hellwach.
    Sie wusste, in welcher Gefahr sie schwebte.
    Genau wie Morgead waren diese Teenager das Treibgut der Straßen San Franciscos. Waisen, bei geichgültigen Verwandten untergebracht, in der Nachtwelt unerwünscht. Vergessene.
    Ihre Gang.
    Die Schule war zu Ende, und sie waren bereit loszuziehen.
    Jez hatte immer schon gedacht - von dem Tag an, als sie und Morgead diese Kids aufgelesen hatten -, dass die Nachtwelt einen Fehler beging, indem sie sie wie Müll behandelten. Sie mochten jung sein; sie mochten keine Familien haben, aber sie hatten Macht. Jeder Einzelne von ihnen besaß die Kraft eines gefährlichen Gegners.
    Und in diesem Moment sahen sie Jez an wie eine Gruppe von Wölfen, die ihr Abendessen ins Visier nahm. Wenn sie alle gleichzeitig beschlossen, sich auf sie zu stürzen, wäre sie in echten Schwierigkeiten. Irgendjemand würde am Ende getötet werden.
    Sie stand äußerlich gelassen da, während eine leise Stimme endlich das Schweigen brach.
    »Du bist es wirklich, Jez.«
    Und dann eine andere Stimme, neben Jez. »Ja, sie ist zurückgekommen«, sagte Morgead achtlos. »Sie hat sich der Gang wieder angeschlossen.«
    Jez warf ihm einen kaum merklichen Seitenblick zu. Sie hatte von ihm nicht erwartet, dass er ihr helfen würde. Er erwiderte den Blick mit undurchschaubarer Miene.
    »Sie ist zurückgekommen?«, fragte jemand verständnislos.
    Ein winziger Stich der Heiterkeit durchzuckte Jez. »Das ist richtig«, antwortete sie und behielt eine ernste Miene bei. »Ich musste für eine Weile weggehen, und ich kann euch nicht verraten wohin, aber jetzt bin ich wieder da. Ich habe mir gerade meinen Weg zurück in die Gang erkämpft - und ich habe Morgead besiegt, sodass ich jetzt wieder die Anführerin bin.« Sie dachte, dass sie die ganze Angelegenheit geradeso gut sofort hinter sich bringen konnte. Sie hatte keine Ahnung, wie sie darauf reagieren würden.
    Es folgte ein weiterer langer Moment des Schweigens. Und dann ein Jubelschrei. Er ähnelte einem Kriegsschrei. In derselben Sekunde strömte Jez eine gewaltige Welle entgegen - vier Personen, die sich alle auf sie stürzten. Einen Herzschlag lang stand sie wie erstarrt da, bereit, einen vierfachen Angriff abzuwehren.
    Dann schlangen sich Arme um ihre Taille.
    »Jez! Ich habe dich vermisst!«
    Jemand schlug ihr beinahe fest genug auf die Schulter, um sie umzuwerfen. »Du böses Mädchen! Du hast ihn schon wieder besiegt?«
    Die vier Gangmitglieder versuchten, sie gleichzeitig zu umarmen, zu boxen und zu tätscheln. Jez hatte Mühe, sich nicht anmerken zu lassen, dass sie überwältigt war. Das hatte sie nicht erwartet.
    »Es ist schön, euch wiederzusehen«, sagte sie. Ihre Stimme war eine Spur unsicher. Doch es war die Wahrheit.
    »Du hast uns einen ganz schönen Schrecken eingejagt, einfach so zu verschwinden, weißt du«, sagte Raven Mandril. Raven war das hochgewachsene, gertenschlanke Mädchen mit der marmorbleichen Haut. Ihr schwarzes Haar war hinten kurz und vorn lang und fiel ihr über ein Auge, sodass es dieses völlig verdeckte. Das andere Auge war mitternachtsblau und strahlte Jez an.
    Jez erlaubte es sich zurückzustrahlen, nur ein klein wenig. Sie hatte Raven immer gern gemocht, sie war von allen die Reifste. »Tut mir leid, Raven.«
    »Mir hast du keinen Schrecken eingeflößt.« Das war Thistle, die Jez noch immer umarmte. Thistle Galena war die Zarteste von allen, die mit zehn Jahren ihren Alterungsprozess aufgehalten hatte. Sie war genauso alt wie die anderen, aber winzig und beinahe schwerelos. Sie hatte duftiges, blondes Haar, amethystfarbene Augen und kleine, glänzend weiße Zähne. Ihre Spezialität war es, das verirrte Kind zu spielen und dann jeden Menschen anzugreifen, der versuchte, ihr zu helfen.
    »Dich kann nichts schrecken«, erklärte Jez und erwiderte die Umarmung.
    »Sie meint, sie wusste, dass es dir gut ging, wo immer du warst. Ich habe es ebenfalls gewusst«, sagte Pierce Holt. Pierce war der

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