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Herr der Daemmerung

Herr der Daemmerung

Titel: Herr der Daemmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa J. Smith
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zurückgespult und noch einmal hingeschaut habe, konnte ich es deutlich sehen.«
    Er spielte die Aufnahme jetzt in Zeitlupe ab. Jez sah das Feuer Bild um Bild größer werden. Sie sah es zu dem Fenster hinaufkriechen.
    Und dann zuckte ein Blitz auf.
    Bei normaler Geschwindigkeit sah man ihn nur als ein Flackern, das man leicht für ein Kameraproblem halten konnte. Doch bei dieser Geschwindigkeit war der Blitz unübersehbar.
    Er war blau.
    Eigentlich sah er aus wie ein Zwischending von Blitz und Flamme, blauweiß und von einem intensiveren Blau umrahmt. Und er bewegte sich. Zuerst war er klein, ein runder Fleck direkt am Fenster. Im nächsten Bild war er viel größer und breitete sich in alle Richtungen aus, während Finger in die Flammen griffen. Im nächsten Bild bedeckte er den gesamten Fernsehschirm und schien das Feuer zu verschlingen.
    Im darauffolgenden Bild war er verschwunden, und das Feuer mit ihm. Weißer Rauch begann aus den Fenstern zu kriechen.
    Jez war wie gebannt.
    »Göttin«, flüsterte sie. »Blaues Feuer.«
    Morgead spulte zurück, um die Szene noch einmal ablaufen zu lassen. »Mit blauem Feuer wird die letzte Dunkelheit gebannt. Mit Blut wird der letzte Preis bezahlt ... Wenn dieses Mädchen keine Wilde Macht ist, Jez ... was ist sie dann? Sag du es mir.«
    »Ich weiß es nicht.« Jez biss sich langsam auf die Unterlippe und beobachtete, wie sich auf dem Bildschirm vor ihr die seltsame Szene noch einmal abspielte. Also bedeutete das blaue Feuer in der Prophezeiung eine neue Art von Energie. »Du fängst an, mich zu überzeugen. Aber ...«
    »Hör mal, jeder weiß, dass eine der Wilden Mächte in San Francisco ist. Eine der Alten im Hexenzirkel - Grandma Harman oder irgendjemand - hat davon geträumt. Sie hat das blaue Feuer vor dem Coit Tower oder irgendwo da gesehen. Und alle wissen, dass die vier Wilden Mächte ungefähr zu dieser Zeit in Erscheinung treten sollten. Ich denke, dieses Mädchen hat es zum ersten Mal gemacht, als es begriff, dass es sterben würde. Als es so verzweifelt war.«
    Jez konnte sich diese Art von Verzweiflung vorstellen; sie hatte sie sich bereits vorgestellt, als sie das Feuer zum ersten Mal, live, gesehen hatte. Wie es sich anfühlen musste ... derart in der Falle zu sitzen. Zu wissen, dass es keine irdische Hilfe gab, dass man kurz davorstand, den schrecklichsten vorstellbaren Schmerz zu erleben. Zu wissen, dass man spüren würde, wie der eigene Körper verkohlte und das eigene Haar brannte wie eine Fackel und dass es zwei oder drei endlose Minuten dauern würde, bevor man starb und das Grauen vorüber war.
    Ja, du wärst verzweifelt gewesen, allerdings. All das zu wissen, hätte eine neue Macht aus dir herausziehen können, eine hektische Explosion von Kraft, wie ein unbewusster Schrei aus den Tiefen deines Wesens.
    Aber eines machte ihr zu schaffen.
    »Wenn dieses Kind die Wilde Macht ist, warum hatte sein Zirkel dann nicht bemerkt, was passiert ist? Warum hat das Mädchen ihnen nicht gesagt: >Hey Leute, hört mal: Ich kann jetzt Feuer löschen!<«
    Morgead sah sie verärgert an. »Wie meinst du das, welcher Zirkel?«
    »Nun, sie ist eine Hexe, richtig? Du willst mir doch nicht erzählen, dass Vampire oder Gestaltwandler solche neuen Kräfte entwickeln.«
    »Wer hat etwas von Hexen, Vampiren oder Gestaltwandlern gesagt? Das Kind ist menschlich.«
    Jez blinzelte.
    Und blinzelte noch einmal, während sie versuchte, das Ausmaß ihres Erstaunens zu verbergen. Für einen Moment dachte sie, Morgead nähme sie auf den Arm. Aber seine grünen Augen waren einfach verärgert, nicht verschlagen.
    »Die Wilden Mächte ... können menschlich sein?«
    Morgead lächelte plötzlich - ein Feixen. »Du hast es wirklich nicht gewusst. Du hast nichts von all den Prophezeiungen gehört, oder?« Er warf sich spöttisch in Rednerpose:
    ***
    Eine aus dem Land der Könige, lang vergessen;
    Eine vom Herd, der noch die Glut bewahrt;
    Eine aus der Tagwelt, in der zwei Augen wachen;
    Eine aus dem Zwielicht, welches das Dunkel sucht.
    ***
    Die Tagwelt, dachte Jez. Nicht die Nachtwelt, die menschliche Welt. Mindestens eine der Wilden Mächte musste menschlich sein.
    Unglaublich ... aber warum nicht? Wilde Mächte galten als merkwürdig.
    Dann fiel ihr etwas ein, und ihr wurde flau im Magen.
    »Kein Wunder, dass du so scharf darauf bist, sie auszuliefern«, sagte sie leise. »Nicht nur um eine Belohnung zu kassieren ...«
    »Sondern weil der kleine Dreck es verdient zu sterben - oder was immer

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