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Herr der Daemmerung

Herr der Daemmerung

Titel: Herr der Daemmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa J. Smith
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anderen Fenster lag es hinter einem halbhohen, schmiedeeisernen Gitter. Doch im Gegensatz zu den anderen befand sich dort noch etwas: Auf dem Sims standen zwei Plastikkübel mit schmutzigen, dürren Pflanzen. Ein Fensterkasten.
    Und ein Gesicht, das zwischen den Pflanzen hervorspähte.
    Das Gesicht eines Kindes.
    »Da«, sagte Morgead.
    Die Reporterin sprach weiter. »Regina, die Feuerwehrleute sagen, es befinde sich definitiv noch jemand im zweiten Stock dieses Gebäudes. Sie suchen nach einer Möglichkeit, sich der Person zu nähern - dem kleinen Mädchen ...«
    Starke Suchscheinwerfer waren auf die Flammen gerichtet worden. Das war der einzige Grund, warum man das Mädchen überhaupt sah. Trotzdem konnte Jez keine Gesichtszüge erkennen. Das Mädchen war ein kleiner, verschwommener Klecks.
    Feuerwehrleute versuchten, eine Art Leiter auf das Gebäude zuzuschieben. Leute liefen umher, tauchten auf und verschwanden in dem wabernden Rauch. Die Szene war unheimlich, wie aus einer anderen Welt.
    Jez erinnerte sich, erinnerte sich daran, das kaum unterdrückte Entsetzen in der Stimme der Reporterin gehört zu haben, erinnerte sich an Claire, die neben ihr gesessen und scharf die Luft eingesogen hatte.
    »Es ist ein Kind«, hatte Claire gesagt, Jez’ Arm gepackt und ihr die Nägel ins Fleisch gebohrt und für einen Moment sogar vergessen, wie wenig sie Jez mochte. »Oh Gott, ein Kind.«
    Und Jez hatte in etwa geantwortet: »Es wird schon alles gut gehen«, erinnerte sie sich. Aber sie wusste, dass es nicht gut gehen würde. Da war zu viel Feuer. Es bestand keine Chance ...
    »Das ganze Gebäude ist betroffen ...«, sagte die Reporterin nun, und die Kamera fuhr wieder zu einer Nahaufnahme heran, und Jez erinnerte sich, wie sie begriffen hatte, dass sie tatsächlich im Fernsehen zeigen würden, wie dieses Mädchen bei lebendigem Leib verbrannte.
    Die Plastikkübel schmolzen bereits. Die Feuerwehrleute mühten sich weiter mit der Leiter ab. Dann gab es plötzlich einen gewaltigen Ausbruch von Orange, eine Explosion, als die Flammen unterhalb des Fensters herausschlugen und mit wilder Wut hinaufzüngelten. Sie waren so hell, als zögen sie alles Licht ringsum in sich hinein. Sie waren jetzt überall um das Fenster herum mit dem Mädchen. Die Stimme der Reporterin brach.
    Jez erinnerte sich lebhaft. Claire hatte aufgekeucht - »Nein!« - und ihre Nägel noch tiefer in Jez’ Arm gebohrt, so tief, dass Blut kam.
    Und dann flackerte der Bildschirm plötzlich und eine gewaltige Wand aus Rauch wehte aus dem Gebäude. Schwarzer Qualm, dann grauer, dann ein Hellgrau, das fast weiß aussah. Alles ging in dem Qualm unter. Als er sich endlich ein wenig lichtete, starrte die Reporterin mit unverhohlenem Erstaunen zu dem Gebäude auf und vergaß, sich der Kamera zuzuwenden.
    »Das ist unglaublich ... Regina, das ist eine absolute Wende ... die Feuerwehrleute haben - entweder hat das Wasser plötzlich Wirkung gezeigt, oder etwas anderes hat dazu geführt, dass das Feuer erloschen ist... so etwas habe ich noch nie gesehen ...«
    Aus jedem Fenster im Gebäude quoll jetzt weißer Rauch. Und das Bild war verwaschen und bleich geworden, weil sich keine leuchtend orangefarbenen Flammen mehr gegen die Dunkelheit abzeichneten.
    Das Feuer war einfach verschwunden.
    »Ich weiß wirklich nicht, was geschehen ist, Regina ... ich denke, ich kann getrost sagen, dass alle hier sehr dankbar sind ...«
    Die Kamera zoomte das Gesicht im Fenster heran. Es war immer noch schwer, Gesichtszüge zu erkennen, aber Jez konnte milchkaffeefarbene Haut sehen und eine anscheinend ziemlich gelassene Miene. Dann streckte jemand die Hand aus, um sachte nach einem der geschmolzenen Plastikkübel zu greifen und hereinzuholen.
    Das Bild erstarrte. Morgead hatte auf Pause gedrückt.
    »Sie sind nicht dahintergekommen, was das Feuer gelöscht hat. Es ist überall gleichzeitig ausgegangen, als sei es erstickt worden.«
    Jez konnte erkennen, worauf er hinaus wollte. »Und du denkst, es war irgendeine Art von Macht, die es gelöscht hat. Ich weiß nicht, Morgead - es ist eine ziemlich gewagte Vermutung. Und von dieser Vermutung aus auf die Idee zu kommen, dass es eine Wilde Macht war …«
    »Dann hast du es übersehen.« Morgead klang selbstgefällig.
    »Was übersehen?«
    Er spulte das Band zurück bis zu dem Moment, bevor das Feuer erlosch. »Ich hätte es selbst beinahe übersehen, als ich es live angeschaut habe. Ein Glück, dass ich es aufgezeichnet hatte. Als ich

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