Herr der Daemmerung
Mutter war menschlich. Claire ist meine Cousine, und sie ist ein Mensch. Ich habe das ganze letzte Jahr über bei meinem Onkel Jim gelebt, dem Bruder meiner Mutter, und bei seiner Familie. Sie sind alle Menschen.«
Morgead schloss die Augen. Ein Moment erstaunlicher Schwäche, dachte Jez kalt.
Seine Stimme war nur ein Wispern. »Vampire und Menschen können zusammen keine Kinder haben. Du kannst kein Halbblut sein.«
»Oh doch, ich kann. Mein Vater hat die Gesetze der Nachtwelt gebrochen. Er hat sich in einen Menschen verliebt, und sie haben geheiratet, und hier bin ich. Und dann, als ich ungefähr vier war, kamen andere Vampire und versuchten, uns alle zu töten.« Im Geist sah Jez es wieder vor sich, die Frau mit dem roten Haar, die wie eine Prinzessin aus dem Mittelalter aussah und um das Leben ihres Kindes bettelte. Der hochgewachsene Mann, der versuchte, sie zu beschützen. »Sie wussten, dass ich halb menschlich war. Sie haben immer wieder gebrüllt: >Tötet die Missgeburt<. Also, das ist es, was ich bin.« Sie sah ihn mit Augen an, von denen sie wusste, dass sie fiebrig glänzten. »Eine Missgeburt, ein Freak.«
Er schüttelte den Kopf und schluckte, als müsse er sich übergeben. Für diese Reaktion hasste Jez ihn - und gleichzeitig hatte sie Mitleid. Sie bemerkte kaum, dass ihr heiße Tränen über die Wangen liefen.
»Ich bin Ungeziefer, Morgead. Eine von ihnen. Beute. Das ist es, was ich vor einem Jahr begriffen habe, als ich die Gang verließ. Bis dahin hatte ich keine Ahnung davon, aber in jener letzten Nacht, als wir auf Jagd waren, habe ich mich an die Wahrheit erinnert. Und ich wusste, dass ich gehen musste, um all die Dinge wieder gutzumachen, die ich Menschen angetan hatte. Um es wenigstens zu versuchen.«
Er hob eine Hand, um sie sich auf die Augen zu drücken.
»Ich bin nicht einfach nur ein Mitglied des Zirkels der Morgendämmerung geworden. Ich bin Vampirjägerin geworden. Ich spüre Vampire auf, die gern töten, die es genießen, Menschen leiden zu lassen, und ich pfähle sie. Weißt du, warum? Weil sie den Tod verdienen.«
Er sah sie wieder an, aber so, als könne er es kaum ertragen. »Jez ...«
»Es ist seltsam. Ich weiß nichts über unsere Verbindung« - sie schenkte ihm ein bitteres Lächeln, um ihn wissen zu lassen, dass sie wusste, dass all das vorüber war - »aber ich hatte ein schlechtes Gefühl dabei, dich zu belügen. Ich bin beinahe froh, dass ich dir endlich die Wahrheit gesagt habe. Vor einem Jahr, als ich es erfuhr, hätte ich es am liebsten herausgeschrien, aber
ich wusste, dass du mich umbringen würdest. Deshalb bin ich einfach gegangen.«
Sie lachte jetzt. Sie merkte, dass sie ziemlich hysterisch war. Aber es schien keine Rolle mehr zu spielen. Nichts spielte eine Rolle, solange Morgead sie mit dieser entsetzten Ungläubigkeit in den Augen ansah.
»Also, wie auch immer ...« Sie dehnte ihre Muskeln und lächelte ihn dabei immer noch an, bereit, sich zu verteidigen. »Wirst du jetzt versuchen, mich zu töten? Oder ist die Verlobung einfach abgeblasen?«
Er sah sie nur an. Es war, als sei sein ganzer Geist erloschen. Er sprach nicht, und auch Jez fiel nichts mehr ein, was sie noch hätte sagen können. Das Schweigen dehnte sich unendlich in die Länge, wie ein klaffender Abgrund zwischen ihnen.
Sie waren so weit voneinander entfernt.
Du hast die ganze Zeit über gewusst, dass es so kommen würde, sagte ihr Verstand spöttisch. Wie kannst du dich jetzt darüber aufregen? Er nimmt es eigentlich besser auf, als du erwartet hast. Er hat noch nicht versucht, dir an die Gurgel zu gehen.
Endlich sagte Morgead mit tonloser, leerer Stimme: »Das ist der Grund, warum du mein Blut nicht trinken wolltest.«
»Ich habe seit einem Jahr keine Blutmahlzeit mehr gehabt«, erwiderte Jez, die sich ebenso leer fühlte. »Ich brauche kein Blut zu trinken, wenn ich meine Kräfte nicht benutze.«
Er starrte an ihr vorbei ins Leere. »Nun, vielleicht solltest du besser ein wenig von deinen menschlichen Freunden trinken«, sagte er müde. »Denn wer immer uns...«
Er brach ab, plötzlich hellwach. Jez wusste, warum. Der Wagen verlangsamte das Tempo, die Reifen knirschten über Kies.
Sie bogen in eine Einfahrt ein.
Eine lange Einfahrt und eine steile. Wir sind irgendwo auf dem Land, dachte Jez.
Sie hatte keine Zeit mehr für eine weitere Auseinandersetzung mit Morgead.
»Hör mal«, sagte sie angespannt, »ich weiß, du hasst mich jetzt, aber wer immer uns entführt hat, hasst
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