Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Herr der Diebe

Herr der Diebe

Titel: Herr der Diebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Funke Cornelia
Vom Netzwerk:
draußen folgten. Er selbst wusste nicht, ob er aufgeregt war. Alles kam ihm seltsam unwirklich vor, seit sie die Insel betreten hatten. Wie ein Traum. Und er hätte nicht sagen können, ob es ein guter oder ein böser Traum war. Morosina kam nicht mit ihnen. Sie blieb oben zwischen den Säulen stehen und sah ihnen nach, die Hunde an ihrer Seite. Renzo ging mit Prosper und Scipio zu einem Laubengang hinter dem Haus, von dessen hölzernen Streben erfrorene Herbstblätter hingen. Der Gang führte zu einem Labyrinth, auf dessen verschlungenen Wegen die Vallaresso sich früher wohl die Zeit vertrieben hatten. Jetzt waren die Hecken zwischen den Wegen verwildert und das Labyrinth zu einem fast undurchdringlichen Dickicht geworden. Trotzdem zögerte Renzo nur selten, als er Prosper und Scipio hindurchführte. Aber einmal blieb er plötzlich stehen und lauschte. »Was ist?«, fragte Scipio.
Der Klang einer Glocke hallte durch die kalte Luft, es hörte sich an, als läute sie jemand heftig und ungeduldig.
»Das ist die Glocke am Tor«, sagte Renzo. »Wer kann das sein? Barbarossa wollte erst morgen kommen.« Er sah besorgt aus. »Barbarossa?« Prosper sah ihn überrascht an. Renzo nickte. »Ich habe euch doch gesagt, es war seine Idee, euch mit Falschgeld zu bezahlen. Er hat es mir auch besorgt. Aber der Rotbart lässt sich für solche Dienste natürlich bezahlen. Morgen will er sich seinen Lohn abholen. Das alte Spielzeug. Er hat schon lange ein Auge darauf geworfen.«
»So ein Mistkerl!«, murmelte Prosper. »Dann hat er also von Anfang an gewusst, dass wir nur Falschgeld für den Auftrag bekommen.«
»Macht euch nichts draus! Auf Barbarossa fällt jeder herein«, sagte Renzo und lauschte noch einmal. Aber die Glocke war verstummt. Nur die Hunde bellten. »Wahrscheinlich ein Touristenboot«, murmelte Renzo. »Morosina erzählt immer, wenn sie in der Stadt ist, scheußliche Geschichten über die Insel, trotzdem verirrt sich ab und zu ein Boot hierher. Aber die Doggen verscheuchen selbst die Neugierigsten.«
Prosper und Scipio sahen sich an. Das konnten sie sich vorstellen. »Ich mache seit langem Geschäfte mit dem Rotbart«, erzählte Renzo, während er sich weiter durch die verwilderten Hecken kämpfte. »Er ist der einzige Antiquitätenhändler, der nicht zu viele Fragen stellt. Und er ist der Einzige, den Morosina und ich je auf die Insel gelassen haben. Er glaubt natürlich, dass er es mit dem Conte Vallaresso zu tun hat, der so verarmt ist, dass er ihm ab und zu etwas von seinen Familienschätzen verkauft. Morosina und ich leben schon lange von dem, was die Vallaresso zurückgelassen haben. Aber wenn er morgen vor dem Tor steht, um das Spielzeug abzuholen, wird ihm niemand öffnen. Der Conte ist für alle Zeiten verschwunden.«
»Barbarossa hat immer so getan, als wüsste er nicht, was wir für den Conte stehlen sollen«, sagte Prosper. »Das habe ich ihm auch nicht erzählt«, antwortete Renzo. »Weiß er von dem Karussell?«, fragte Scipio. Renzo lachte. »Nein, Gott bewahre, der Rotbart wäre der Letzte, dem ich es zeigen würde. Er würde auf der Stelle Eintrittskarten dafür verkaufen, für eine Million Lire das Stück. Nein, er hat es nie gesehen. Denn zum Glück«, Renzo schob ein paar dornige Zweige auseinander, »ist es sehr, sehr gut versteckt.« Er zwängte sich zwischen zwei Büsche – und war verschwunden. Die Dornen zerkratzten Prosper und Scipio das Gesicht, als sie ihm folgten. Doch dann standen sie plötzlich auf einer Lichtung, umgeben von Büschen und Bäumen, die die Zweige ineinander schlangen, als wollten sie verbergen, was auf verschneitem Moos zwischen ihnen stand.
Das Karussell sah genau so aus, wie Ida Spavento es beschrieben hatte. Vielleicht hatte Prosper es sich etwas prächtiger und bunter vorgestellt. Die Farben auf dem Holz waren verblasst, abgetragen von Wind, Regen und Salzluft, doch der Anmut der Figuren hatte die Zeit nichts anhaben können.
Alle fünf waren da: das Einhorn, die Meerjungfrau, der Wassermann, das Seepferd und der Löwe, der beide Flügel spreizte, als hätte ihm nie einer gefehlt. Sie hingen an Stangen unter einem hölzernen Baldachin, sodass es schien, als schwebten sie. Der Wassermann hielt einen Dreizack in der hölzernen Faust, die Meerjungfrau blickte mit blassgrünen Augen in die Ferne, als träumte sie von Wasser und vom weiten Meer. Und das Seepferd mit seinem Fischschwanz war so schön, dass man bei seinem Anblick fast vergaß, dass es auch Pferde mit vier

Weitere Kostenlose Bücher