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Herr der Diebe

Herr der Diebe

Titel: Herr der Diebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Funke Cornelia
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Fenster und fragte sich, was Scipio trieb. Aber nicht er, sondern Victor war es, der den Herrn der Diebe als Erster wieder sah. Eines Abends, als Victor von einer Beschattung kam, ging er auf dem Heimweg noch schnell zu Barbarossas Laden, um ein Schild an die Tür zu kleben, das Ida geschrieben hatte:
    Verkäufer oder Verkäuferin gesucht, wenn möglich mit Erfahrung. Bewerbungen an Ida Spavento, Campo Santa Margherita 423.
    Das Klebeband blieb ihm ständig am Daumennagel hängen und Victor fluchte leise vor sich hin, als plötzlich eine hoch gewachsene Gestalt auf ihn zutrat.
»Hallo, Victor«, sagte der Fremde. »Wie geht es dir? Und wie geht es den anderen?« Victor starrte ihn entgeistert an.
»Herrgott, Scipio, musst du dich so anschleichen?«, stöhnte er. »Tauchst hier wie ein Geist aus der Dunkelheit auf. Mit dem Hut hätte ich dich fast nicht erkannt.«
Den Umhang des Conte trug Scipio auch nicht mehr, sondern einen dunklen Mantel.
»Ja, der Hut war das Erste, was ich mir angeschafft habe«, sagte er und zog ihn vom schwarzen Haar. »Wenn ich ihn trage, nennt man mich nur noch dreimal täglich Dottor Massimo.«
»Ida hat deinem Vater eine Karte geschrieben.« Victor versuchte noch einmal, den Zettel an die Ladentür zu kleben. Diesmal klappte es. »Sie hat geschrieben, dass es dir gut geht und du erst mal nicht nach Hause kommen wirst. Hast du den Aufruf deines Vaters in der Zeitung gesehen?« Scipio nickte nur.
»Ja, ja«, murmelte er. »So ein Sohn ist wirklich lästig. Jetzt ist er auch noch verloren gegangen. Ich war gestern Nacht zu Hause. Habe meine Katze geholt. Aber es hat mich zum Glück niemand gesehen.« Eine Weile schwiegen sie beide, standen da und blickten zum Mond hinauf. Dann sagte Victor: »Deine Idee… du weißt schon, die mit Barbarossa, sie hat funktioniert.«
»Wirklich?« Scipio setzte seinen Hut wieder auf und zog die Krempe tief ins Gesicht. »Tja, ich wusste ja, sie ist genial. Wie geht es den anderen? Sind sie noch bei Ida?«
»Prosper, Wespe und Bo schon«, antwortete Victor. »Mosca und Riccio hausen jetzt in einem leer stehenden Lagerhaus in Castello. Aber wie geht es dir?«
Neugierig sah er in Scipios Gesicht. Sonderlich glücklich sah der Herr der Diebe nicht aus, soweit Victor das in der Dunkelheit erkennen konnte. Eher ein bisschen müde.
»Wenn du nichts Besseres zu tun hast«, meinte Victor, als Scipio nicht gleich antwortete, »dann begleite mich doch einfach ein Stück und erzähl mir unterwegs, was du so gemacht hast. Es ist zu kalt, um hier einfach nur herumzustehen, und ich muss nach Hause, ich bin schon den ganzen Tag auf den Beinen und fast verhungert.«
Scipio zuckte die Achseln. »Ich habe nichts Besonderes vor«, antwortete er. »Und das Hotelzimmer, das ich mir genommen habe, ist nicht so gemütlich, dass man Sehnsucht danach hat.« Also machten sie sich gemeinsam auf den Weg zu Victors Wohnung. Eine Weile gingen sie schweigend nebeneinanderher. In den Gassen zwischen Markusplatz und Canal Grande drängten sich noch immer die Menschen, denn die Luft war nicht so eisig wie an den vergangenen Abenden und der Himmel über der alten Stadt war voller Sterne. Scipio brach sein Schweigen erst, als sie an die Rialtobrücke kamen.
»Eigentlich habe ich nichts Besonderes gemacht«, sagte er, als sie Seite an Seite die Stufen hinaufstiegen. Tausend Lichter spiegelten sich auf dem Wasser, die Lichter der Restaurants am Ufer, die Lichter der Gondeln, der Vaporetti, die hell erleuchtet über den breiten Kanal schlingerten. Das Licht schillerte auf dem schwarzen Wasser, schwappte glitzernd zwischen den Booten und trieb gegen das steinerne Ufer. Schwimmendes Licht. Es war schwer, sich von dem Anblick loszureißen. Victor lehnte sich über die Brüstung. Scipio spuckte hinüber. »Was tun Erwachsene so den ganzen Tag, Victor?«, fragte er. »Arbeiten«, antwortete Victor. »Essen, einkaufen, Rechnungen bezahlen, telefonieren, Zeitung lesen, Kaffee trinken, schlafen gehen.«
Scipio seufzte. »Nicht sehr aufregend«, murmelte er und stützte die Arme auf die Brüstung. »Tja«, brummte Victor. Mehr fiel ihm nicht ein. Langsam schlenderten sie weiter, die Brücke hinunter und wieder hinein in das Gewirr von Gassen, in dem jeder Fremde sich mindestens einmal verläuft.
»Mir wird schon noch was anderes einfallen«, sagte Scipio. Trotz klang aus seiner Stimme. »Irgendetwas Verrücktes, Abenteuerliches. Vielleicht sollte ich einfach zum Flughafen fahren und in irgendein Flugzeug

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