Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Herr der Diebe

Herr der Diebe

Titel: Herr der Diebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Funke Cornelia
Vom Netzwerk:
weiß getünchte Wand:
Achtung, dies ist ein Victor-Ehrenwort, und wie ich euch schon sagte, Victor-Ehrenworte werden nie gebrochen: Die Hartliebs werden von mir nichts erfahren – es sei denn, ich höre in nächster Zeit von irgendwelchen seltsamen Einbrüchen. Wir sehen uns. Bestimmt. Victor
Als Victor fertig war, trat er einen Schritt zurück und betrachtete, was er geschrieben hatte. Ich muss verrückt geworden sein, dachte er, als er die eigenen Worte noch einmal las. Dann überlegte er, ob er noch nach der Pistole suchen sollte, die Prosper ihm abgenommen hatte, oder nach seinem gestohlenen Portemonnaie. Aber wo sollte er da suchen? In dem Durcheinander zwischen den Matratzen? Zwischen dem Gerümpel im Vorraum? Womöglich überraschte die Bande ihn dabei und das Ganze begann von vorn. Ach was, ich geh nach Hause, dachte Victor. Jeder Knochen tat ihm weh nach der Nacht auf den Fliesen. Müde bahnte er sich einen Weg zu der Eingangstür, die die Kinder schon wieder verbarrikadiert hatten, und trat hinaus auf die Gasse. Drei Häuser weiter schwatzten ein paar Frauen vor einer offenen Haustür miteinander. Als sie Victor aus dem verlassenen Kino kommen sahen, schwiegen sie verblüfft, aber er grüßte sie, als gebe es nicht den geringsten Grund zur Verwunderung, zog die pappverklebte Tür hinter sich zu und machte sich mit seinen Schildkröten auf den Heimweg.

  
    »Ihr glaubt das doch wohl nicht?«, rief Riccio, als sie Victors Gekritzel und das leere Klo entdeckten. »Wir müssen ihn sofort wieder einfangen.«
»Ach ja? Und wie?«, fragte Mosca und lugte durch die aufgebrochene Klotür. Auf der Decke, die sie ihrem Gefangenen über die Fliesen gelegt hatten, stand das Radio. Zusammengeschraubt. Nicht ein Teilchen lag noch daneben. Mosca ging hin und drehte an den Knöpfen, während die anderen immer noch vor Victors Gekritzel standen.
»Bleibt uns gar nichts anderes übrig als zu glauben, was da steht«, sagte Wespe. »Oder willst du dir jetzt gleich ein neues Versteck suchen, Riccio?«
»Und den Einbruch, den Handel mit dem Conte, willst du das alles etwa vergessen, bloß weil dieser Schnüffler es sagt?«
»Nein, will ich nicht. Aber von dem Einbruch erfährt er doch sowieso erst, wenn die Sache gelaufen ist. Und wir sind dann mit dem Geld längst verschwunden. Irgendwohin.«
»Irgendwohin.« Riccio starrte Victors Gekritzel an. Dann drehte er sich abrupt um und verschwand durch die Tür zum Kinosaal. Wespe wollte ihm nach, aber Prosper hielt sie zurück. »Warte mal«, sagte er. »Ihr wollt den Flügel immer noch rauben? Habt ihr denn gar nichts begriffen? Scipio ist noch nie irgendwo eingebrochen!«
»Wer redet denn von Scipio?« Wespe verschränkte die Arme. »Wir werden die Sache ohne Scipio machen. Jetzt doch erst recht. Wovon sollen wir leben, wenn der Herr der Diebe keine Beute mehr bringt, und damit ist ja jetzt wohl Schluss, oder? Dem Conte kann doch egal sein, wer ihm den Flügel beschafft. Und wenn wir die fünf Millionen haben, dann brauchen wir niemanden mehr, keine Erwachsenen und schon gar keinen Herrn der Diebe. Vielleicht…«, Wespe musterte noch einmal Victors Abschiedsnachricht, »vielleicht sollten wir es gleich morgen Nacht erledigen. Je eher, desto besser. Was denkst du? Willst du nicht doch mitmachen?« »Und was wird mit Bo?« Prosper sah sie an und schüttelte den Kopf. »Nein. Wenn ihr unbedingt euren Hals riskieren wollt, in Ordnung. Ich wünsch euch Glück. Aber ich werde nicht mitmachen. In zwei Tagen kommt meine Tante nach Venedig. Bis dahin haben Bo und ich die Stadt verlassen. Ich versuch, uns auf irgendein Schiff zu schmuggeln. Oder in ein Flugzeug… Irgendwas, was uns weit weg bringt. Das haben andere auch schon geschafft. Vor ein paar Tagen stand so was in der Zeitung.«
»Ja, und ich ärgere mich, dass ich es dir vorgelesen habe. Verstehst du denn nicht?« Wespes Stimme klang zornig, aber in ihren Augen standen Tränen. »Das ist noch viel verrückter, als in ein fremdes Haus zu schleichen! Wir gehören doch jetzt alle zusammen, du und Bo und Riccio und Mosca – und ich. Wir sind doch jetzt so was wie eine Familie, da…«
»He, Leute, kommt doch mal her!«, rief Mosca aus dem Männerklo. »Ich glaub, dieser Schnüffler hat das Radio tatsächlich repariert! Sogar das Kassettenteil funktioniert wieder.«
Aber Wespe und Prosper beachteten ihn nicht. »Überleg es dir doch noch mal!«, sagte Wespe, und ihre Stimme klang so flehend, dass es Prosper wehtat. »Bitte.« Dann

Weitere Kostenlose Bücher