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Herr der Diebe

Herr der Diebe

Titel: Herr der Diebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Funke Cornelia
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gesagt habe?« »Hör auf, Scip!«, fuhr Prosper ihn an. »Ich wette, du hast noch nie in deinem Leben was gestohlen.« Er sah, wie Scipio einen erschrockenen Blick nach oben warf. »Wahrscheinlich stammt deine ganze Beute aus diesem Haus, stimmt’s?«, fragte Prosper mit gedämpfter Stimme. »Wie konntest du den Auftrag des Conte annehmen? Du bist doch garantiert noch nie irgendwo eingebrochen! Wenn du so geheimnisvoll im Versteck aufgetaucht bist, hast du dich da mit einem Schlüssel durch irgendeine Tür reingeschlichen, die wir nicht kennen? Der Herr der Diebe! Mein Gott, waren wir blöd!« Verächtlich verzog Prosper den Mund, aber er fühlte sich ganz taub vor Enttäuschung und Traurigkeit. Bo klammerte sich an seine Hand, während Scipio nicht wusste, wo er hinschauen sollte.
»Komm jetzt!«, sagte Prosper noch mal. »Komm mit raus zu den anderen.« Er drehte sich um, doch Scipio stand immer noch wie angewurzelt da.
»Nein«, sagte er, »ich erklär euch später alles. Jetzt hab ich keine Zeit.« Dann drehte er sich um und lief die Treppe hinauf, so hastig, dass er fast stolperte. Aber er sah sich nicht ein einziges Mal um.
Mosca, Riccio und Wespe warteten immer noch neben dem Portal, als Prosper mit Bo herauskam. Fröstelnd lehnten sie an der Mauer, mit bedrückten Gesichtern. »Na, bitte!«, rief Riccio, als Prosper und Bo allein aus dem Haus traten. »Es war nicht unser Scipio!« Er konnte seine Erleichterung kaum verbergen. Doch plötzlich machte er ein erschrockenes Gesicht. »Verflucht, wir müssen schnell zurück zum Versteck! Versteht ihr denn nicht? Das war ein Trick von dem Schnüffler, um uns wegzulocken, damit er ausreißen kann!«
»Sei doch mal still, Riccio«, sagte Wespe und sah Prosper an. »Also?«
»Victor hat uns nicht belogen«, sagte Prosper. »Lasst uns hier verschwinden.« Und ehe die anderen noch etwas fragen konnten, steuerte er auf die nächste Brücke zu.
»He, warte doch!«, rief Mosca ihm nach, aber Prosper ging so schnell, dass die anderen ihn erst am anderen Kanalufer einholten. Neben dem Eingang eines Restaurants blieb er stehen und lehnte sich gegen die Mauer.
»Was ist passiert?«, fragte Wespe besorgt, als sie neben ihm stand. »Du siehst ja aus wie der Tod höchstpersönlich!« Prosper schloss die Augen, damit die anderen seine Tränen nicht sahen. Er spürte, wie Bo ihm die Hand streichelte, ganz sacht, mit seinen kurzen Fingern. »Versteht ihr denn nicht? Ich sag doch, der Schnüffler hat nicht gelogen!«, stieß er hervor. »Der Einzige, der gelogen hat, ist Scipio. Er wohnt in dem Palast da, Bo und ich haben seinen Vater gesehen. Sie haben ein Dienstmädchen und einen Hof mit einem Brunnen. Der Herr der Diebe! Weggelaufen aus dem Waisenhaus. All sein geheimnisvolles Getue, sein ›Ichkomm-allein-zurecht‹, sein ›Ich-brauch-keineErwachsenen‹-Gerede, alles Lüge! Nichts als Lüge! Mann, er hat wirklich seinen Spaß gehabt mit uns. He, ein bisschen Waisenkind spielen, das ist abenteuerlich! Und wie wir ihn angehimmelt haben.« Prosper fuhr sich mit dem Ärmel übers Gesicht. »Aber die Beute…« Moscas Stimme war kaum hörbar. »Ach ja, die Beute.« Prosper lachte spöttisch. »Wahrscheinlich hat er die Sachen seinen Eltern gestohlen. Der Herr der Diebe – der Herr der Lügner ist er.«
Riccio stand da wie jemand, den man verprügelt hatte. »Er war da? Du – hast ihn gesehen?«, fragte er. Prosper nickte. »Ja, er war da. Aber er war zu feige rauszukommen.« Bo schob den Kopf unter Wespes Arm. Die anderen sagten kein Wort. Wespe blickte hinüber zur Casa Massimo, wie sie dastand und sich im Kanalwasser spiegelte. Hinter einigen Fenstern brannte Licht, obwohl es noch früh am Nachmittag war. Es war ein düsterer, grauer Tag. »Ist doch nicht so schlimm, Prop«, sagte Bo und sah seinen großen Bruder besorgt an. »Ist doch nicht so schlimm.«
»Lasst uns nach Hause gehen«, murmelte Wespe. Und das taten sie. Den ganzen Rückweg sprach keiner von ihnen ein Wort.

Es war nicht schwer für Victor, das Schloss seines Gefängnisses zu knacken. Den Werkzeugkasten hatte Mosca ihm abgenommen, bevor die Kinder verschwunden waren, aber Victor hatte für Notfälle immer etwas Draht und andere nützliche Kleinigkeiten in seiner doppelten Schuhsohle versteckt. Er stand schon im Vorraum, den Karton mit den Schildkröten unter dem Arm, als er beschloss, nicht ohne ein paar Abschiedssätze zu gehen. Weil er kein Papier fand, schrieb er seine Nachricht mit einem Filzer auf die

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