Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Herr der Diebe

Herr der Diebe

Titel: Herr der Diebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Funke Cornelia
Vom Netzwerk:
sich etwas zu gruseln, aber hier draußen auf dem offenen Wasser, mitten in der Nacht, sah das schon anders aus. »Lass mal sehen, Mosca.« Riccio griff nach dem Fernglas, um auf andere Gedanken zu kommen. »Wie weit will der Kerl denn noch segeln? Wenn das so weitergeht, sind wir bald in Burano und steif gefroren wie Tiefkühlhähnchen.«
Weiter und weiter ging es durch die Dunkelheit. Sie alle spürten, wie sie schläfrig wurden, trotz der Kälte. Da pfiff Riccio plötzlich leise durch die Zähne. Er kniete sich hin, um besser sehen zu können. »Ich glaube, jetzt dreht er bei!«, raunte er aufgeregt. »Da, er steuert auf die Insel da zu! Keine Ahnung, welche das sein könnte. Erkennen Sie sie, Signora?«
Ida Spavento nahm ihm das Fernglas aus der Hand und spähte hindurch. Prosper beugte sich über ihre Schulter. Auch ohne Fernglas erkannte er zwei Laternen am Ufer, eine hohe Mauer und weiter entfernt, hinter schwarzen Zweigen, den Umriss eines Hauses. » Madonna, ich glaube, ich weiß, welche Insel das ist!« Idas Stimme klang etwas erschrocken. »Giaco, nicht näher! Mach den Motor aus. Und lösch die Positionslampen.«
Als der Motor verstummte, umfing sie die Stille so plötzlich, dass sie Prosper vorkam wie ein unsichtbares Tier, das im Dunkeln lauerte. Er hörte das Wasser der Lagune gegen die Bootswand schwappen, das Atmen von Mosca neben sich und, aus der Ferne, Stimmen, die über das Wasser klangen. »Ja, sie ist es!«, flüsterte Ida. »Die Isola Segreta, die Geheime Insel. Über sie gibt es wirklich unheimliche Geschichten. Die Vallaresso, eine der ältesten Familien der Stadt, hatten dort früher einen Landsitz, aber das ist lange her. Ich dachte, die Familie wäre fortgezogen und das Anwesen längst verfallen. Doch da habe ich mich wohl getäuscht.«
»Isola Segreta?« Mosca starrte zu den Lichtern hinüber. »Das ist doch die Insel, zu der keiner fährt.«
»Stimmt, es ist nicht leicht, einen Bootsführer zu finden, der das tut«, antwortete Ida, ohne das Fernglas von den Augen zu nehmen. »Die Insel gilt als verhext, es sollen schlimme Dinge auf ihr passiert sein… Dort soll das Karussell stehen? Das Karussell der Barmherzigen Schwestern?«
»Hört doch mal!«, hauchte Riccio. Hundegebell schallte übers Wasser, laut und bedrohlich. »Das müssen mehrere Hunde sein!«, flüsterte Mosca. »Und große dazu.«
»Reicht es Ihnen jetzt nicht, Signora?« Riccios Stimme klang schrill vor Angst. »Wir sind dem Conte gefolgt, bis zu dieser dreimal verfluchten Insel. Von mehr war bei dem Handel nicht die Rede, also sagen Sie dem schweigsamen Kerl da, dass er uns nach Hause fahren soll.«
Aber Ida antwortete nicht. Sie beobachtete die Insel immer noch durch ihr Fernglas. »Sie gehen an Land«, sagte sie leise. »Aha, so sieht euer Conte aus. Ich habe ihn mir nach eurer Beschreibung älter vorgestellt. Und das neben ihm…«, sie senkte die Stimme noch etwas mehr, »… das ist wohl die Frau, von der Scipio erzählt hat. Wer können die zwei nur sein? Wohnen auf der Insel doch noch Vallaresso?«
Mosca, Prosper und Scipio starrten ebenso gespannt wie Ida zu der Insel hinüber. Nur Riccio hockte mit finsterer Miene neben der Geldtasche und starrte Giacos breiten Rücken an, als könnte das seine Angst besänftigen.
»Da ist ein Bootssteg«, flüsterte Scipio, »und eine steinerne Treppe, die das Ufer hinaufführt, zu einem Tor in der Mauer.«
»Wer ist da auf der Mauer?« Mosca klammerte sich erschrocken an Prospers Arm. »Da stehen zwei weiße Gestalten!«
»Das sind Statuen«, beruhigte Ida ihn. »Steinerne Engel. Jetzt öffnen sie das Tor. Oh, die Hunde sind wirklich groß.« Selbst die Jungen konnten sie sehen, auch ohne das Fernglas: riesige weiße Doggen, groß wie Kälber. Plötzlich, als hätten sie etwas Ungewohntes gewittert, kehrten sie die Schnauzen dem Wasser zu und begannen zu bellen, so laut und wütend, dass Ida zusammenfuhr und das Fernglas fallen ließ. Prosper griff noch danach, aber der Feldstecher rutschte ihm durch die Finger und landete mit einem lauten Platscher im Wasser. Das Geräusch durchschnitt die Stille wie ein Schuss. Entsetzt presste Riccio die Hände auf die Ohren, als könnte er so ungeschehen machen, was passiert war, während die anderen sich erschrocken im Boot zusammenkauerten. Nur Giaco schien das Ganze nicht aus der Ruhe zu bringen. Ungerührt stand er hinter dem Steuer. »Die haben uns gehört, Signora!«, sagte er gelassen. »Sie sehen in unsere Richtung!« »Stimmt!«,

Weitere Kostenlose Bücher