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Herr der Finsternis

Herr der Finsternis

Titel: Herr der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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werden es nicht ganz abschneiden!« sagte er lachend. »Nur diesen einen Teil!«
    »Das darf nicht sein, o Imbe-Jaqqa!«
    »Und warum nicht?«
    »Es ist unter den Männern meiner Nation verboten, sich solch einer Chirurgie zu unterziehen, denn das würde uns zu Juden machen, die unseren Gott getötet haben.«
    »Euer Gott ist tot?« sagte Kinguri schnell, wobei er Überraschung und großes Interesse zeigte.
    »Aye. Er wurde getötet, doch dann stand Er wieder auf…«
    »Was sagst du da?«
    Froh, das Gespräch vom Zustand meiner Vorhaut abwenden zu können, erwiderte ich, wobei sich meine Worte bald überschlugen: »Als Er in menschlicher Gestalt zur Erde hinabkam, um uns zu erlösen, wurde Er von Feinden ergriffen und an ein Kreuz genagelt, und es wurde auch ein Speer in Seine Seite gestoßen, und so starb Er, der Er Gottes Sohn und der Erlöser war, doch dann erhob Er sich, wie es prophezeit wurde, von den Toten…«
    »Gottes Sohn? Doch du hast gesagt, der Gott sei gestorben!«
    »Der Sohn ist Gott gleich«, antwortete ich, »denn er ist eine Person der Heiligen Dreifaltigkeit, die aus Gott dem Vater, dem Sohn und dem Heiligen Geist besteht.« Kinguris Blicke bewiesen mir seine Verwirrung, und bei meiner Seele, ich hätte ihm keine wahre Erleuchtung in diesen Dingen geben können, hätte er mich darum gebeten. Doch ich fuhr schnell fort, indem ich sagte: »Am dritten Tag nach Seiner Kreuzigung erhob Er sich von den Toten, um zur rechten Hand des Vaters zu sitzen…«
    »Und wer war seine Mutter?« fragte Kinguri.
    »Er wurde von einer Jungfrau mit Namen Maria geboren…«
    »Dann ist die Königin deines Landes die Mutter deines Gottes?«
    »Von einer anderen Jungfrau«, sagte ich, »und vor langer Zeit, und nicht in dem Land, aus dem ich komme.«
    »Aber auch einer Jungfrau, nicht wahr? Und welche Farbe hatte ihre Haut?«
    »Nun, die wie die meine.«
    »Nicht dunkler?«
    »Wir nehmen nicht an, daß sie dunkel war.«
    »Und der Gott – ist er auch weiß?«
    »Wir glauben nicht, daß Er eine Hautfarbe, eine Größe oder irgendeine Eigenschaft des menschlichen Fleisches hat.«
    »Aber er kann sterben? Ist das keine Eigenschaft des menschlichen Fleisches?«
    »Es war Sein Sohn, der starb«, sagte ich und dachte allmählich, es wäre vielleicht einfacher gewesen, mich der Beschneidung zu unterziehen, als dem Kannibalenfürsten diese komplexen und schwer verständlichen Dinge zu erklären.
    »Ah«, sagte Kinguri. »Und warum ließ er sich töten, wenn er ein Gott und der Sohn eines Gottes war?«
    »Um uns von der Sünde zu erlösen, die im ursprünglichen Paradies über uns gekommen ist, als unser erster Vater und unsere erste Mutter verbotenerweise vom Baum der Erkenntnis aßen und so Verderbtheit und Tod über die Welt brachten, die frei davon geschaffen worden war.«
    Überaus nachdenklich und verwirrt dreinschauend, hob Kinguri eine Hand, um den Fluß meiner Unterweisung zu unterbrechen. »Das verstehe ich nicht. Dein Gott, der sein eigenen Sohn von einer jungfräulichen Mutter war, ist auf die Welt gekommen, um euch von dem Tod zu erlösen, der über euch kam, als ihr…«
    Daraufhin unterbrach Calandola grob und fragte: »Was haben all diese Worte zu bedeuten?«
    Kinguri drehte sich zu ihm, und erneut verstrickten die beiden sich in ein langes Gespräch, diesmal eins über die Mysterien des christlichen Glaubens, die ich ihnen enthüllt hatte. Wieviel Sinn sie ihm entnehmen konnten, weiß ich nicht; doch letztendlich kam dabei heraus, daß sie sich so sehr für Einzelheiten interessierten, daß der Imbe-Jaqqa meine Beschneidung für eine Weile vergaß und der Medizinmann seine Klinge wieder einsteckte.
    Der Imbe-Jaqqa befragte mich, wie ich in diesen Teil des Landes gekommen sei, nachdem er mich zuletzt mit den Portugiesen an der Küste gesehen hatte. Ich erklärte, wie ich an Mofarigosat verpfändet und von Pinto Dourado zurückgelassen worden war. Ich berichtete, wie ich dem Henkersblock knapp entkommen und in den Dschungel geflohen war. Dies interessierte Calandola sehr.
    Während dieses Gespräches wurde ich es sehr überdrüssig, mit entblößtem Geschlecht dazustehen, und so bat ich um die Erlaubnis, meine Kleider wieder anlegen zu dürfen; doch Calandola sagte: »Das ist keine angemessene Kleidung«, und befahl, Jaqqa-Kleidung für mich zu bringen. Mehrere Frauen traten vor und holten aus einer hölzernen Truhe ein stattliches Stück grünen Palmstoffes, das sie um meine Lenden schlangen, und dann nahm

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