Herr der Finsternis
Schluck befürchtete ich, mich übergeben zu müssen, was eine tödliche Beleidigung gewesen wäre. Doch Gott sei gedankt, es war mir möglich, dieses Gefühl zu beherrschen und die Übelkeit zu verdrängen, und ich lächelte und trank erneut, nur einen kleinen Schluck, doch mit der Darbietung von Bereitschaft und Vergnügen, und gab Calandola schließlich den Weinschädel zurück.
Er schlug mit einer großen Hand gegen den schweren Muskel seines Arms, was seine Art und Weise war, Beifall auszudrücken.
»Was ist deine Nation, Andubatil?« sagte er dann.
»England, o Imbe-Jaqqa.«
»Änglannt?«
»Aye, Imbe-Jaqqa.«
»Was für eine Nation ist das?« fragte Kinguri.
»Es ist eine Insel«, erwiderte ich, »die weit entfernt im westlichen Meer liegt.« Ich wartete ab, ob der Bruder des Imbe-Jaqqa dies verstanden hatte, was der Fall zu sein schien, und fuhr dann fort: »Wo das Volk so hellhaarig ist wie ich und groß und kräftig gebaut ist und zur See fährt und mit großem Mut weit reist. Und wo unser Herrscher ein großer Fürst ist, der gleichzeitig eine Frau ist, und auch eine Jungfrau, und der beste Herr, den der Himmel jemals unserem Volk geschickt hat.«
Es war eine lange Rede, und in meiner Freude, über England zu sprechen, ließ ich die Worte alle gleichzeitig hinaus, und ich dachte, Kinguri hätte sie nicht verstanden. Doch das war nicht der Fall, denn Kinguri war ein Mann mit außerordentlich scharfem Verstand. Er wiederholte dem Imbe-Jaqqa alles, was ich gesagt hatte, und dieser beugte sich vor, lauschte mit großer Aufmerksamkeit und schluckte zweimal lautstark von seinem Wein. Ich konnte den meisten von Kinguris Worten folgen, und als er bei jenem Teil angelangt war, der ausführte, daß unser Fürst eine Frau war, richtete sich der Imbe-Jaqqa auf, und seine hellen Augen weiteten sich, und als Kinguri sagte, daß sie eine Jungfrau war, schlug Calandola erstaunt auf das Bein und gab ein langgezogenes, schnaubendes Geräusch von sich, das wie das eines Fluß-Hippopotamus klang.
Es folgte eine lange Unterredung zwischen Calandola und seinem Bruder, von der ich kaum ein Wort verstehen konnte, so schnell brachte der Imbe-Jaqqa seine Worte hervor. Doch er gestikulierte auch mit den Händen, stieß einen Finger zwischen zwei kreisrund geschlossenen der anderen Hand vor und zurück, was unmißverständlich darstellen sollte, wie ein männliches Glied in das Loch einer Frau gestoßen wurde, und da wußte ich, daß er über die Jungfräulichkeit Ihrer Majestät sprach.
Dann wandte Kinguri sich an mich und sagte: »Mein Bruder fragt, ob diese deine Königin eine Frau ist?«
»Aye, alle Königinnen sind Frauen.«
»Und sie ist der rechtmäßige Herrscher deines Landes?«
»Das ist sie, denn ihr Vater war unser König, der große Harry, der achte dieses Namens. Und sie ist die Königin, und ihre Schwester war vor ihr Königin, und ihr Bruder König, doch der starb als junger Mann.«
»Und deine Königin-Frau, sie hat nie erlebt, was es heißt, bei einem Mann zu liegen?«
Ich lächelte. »So heißt es. Wir nennen sie unsere Jungfraukönigin, und es wäre Blasphemie, gegen diese Wahrheit zu streiten. Außerdem glaube ich, daß es wirklich die Wahrheit ist.«
Kinguri schüttelte den Kopf. »Und das Volk deines Landes akzeptiert sie?« fragte er. »Und sie hat Frieden mit ihren Untertanen?«
»Aye.«
»Und wenn ein Mann zu ihr käme und sagte, Königin, ich möchte gern bei dir liegen, öffne dich mir, was wäre dann?«
»Nun, spräche er so mit ihr, würde sie ihm den anmaßenden Kopf abschlagen lassen!« Dann fügte ich hinzu: »Es gibt welche, die behaupten, der Lordadmiral Seymour habe in ihrer Jugend eine unzüchtige Tändelei mit ihr gehabt und später habe sie dem Grafen von Leicester beigewohnt und noch später auch Sir Walter Raleigh. Doch ich glaube, daß das nur Klatsch und Verleumdung ist und daß sie bis zu diesem Tage eine Jungfrau ist, und darauf würde ich auch meinen Kopf wetten.«
»Eine jungfräuliche Königin«, sagte Kinguri verwundert, und Imbe Calandola sprach genauso verwundert die gleichen Worte. Doch keiner von ihnen wollte mich der Lüge bezichtigen, denn ich nehme an, sie dachten, ein Land, wo die Menschen weiße Haut und langes goldenes Haar hatten, können auch Frauen als Fürsten haben, und darüber hinaus sogar Jungfrauen.
»Ich werde dich nach England schicken, Andubatil«, sagte Calandola, »und du wirst deiner Königin sagen, hierher zu mir zu kommen. Wirst du das
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