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Herr der Finsternis

Herr der Finsternis

Titel: Herr der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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Leben verloren hatte, die mich seit meinen ersten Jahren so tief ausgefüllt hatte, obwohl ich mich so leidenschaftlich wie eh und je danach sehnte, zu überleben und zu sehen, was hinter der nächsten Landspitze und der dahinter lag, erfüllte mich der Ausgang dieser Prüfung nicht mit Pein: Was immer mir zustoßen würde, es würde so oder so geschehen, ob ich mir nun Sorgen machte oder nicht. Und so war ich völlig ruhig.
    »Bringt nun die Frucht der Emba«, sagte Calandola.
    Ein stark bemalter und vor Fett glänzender Nganga trat vor, die Schüssel mit den Früchten dieses Palm-Baums tragend, die etwa die Größe und Form eines kleinen Pfirsichs hatten, aber eine glatte und leuchtende Haut mit einem goldenen Farbton und schwachen, roten Streifen darin. Wie ich es schon zuvor einmal beobachtet hatte, nahm der Medizinmann eine dieser Früchte aus der Schale und aß sie, um die anderen zu beeindrucken, spuckte den harten Kern aus und stand nicht vergiftet, sondern gesund und lächelnd vor uns. Dann trat ein zweiter dieser Medizinmänner mit einer Flasche zu ihm, die aus einem hell polierten glänzenden Holz geschnitzt war und das Gift enthielt, schob einen großen, langen Dorn in die Flasche, zog ihn heraus, wobei von diesem Dorn eine Flüssigkeit tropfte, und stieß den Dorn tief in eine der Emba -Früchte und in eine zweite und in eine dritte.
    Imbe Calandola deutete von seinem Hohethron aus mit dem Knochenzepter auf mich und sagte: »Du bist angeklagt, Andubatil, unseren Kriegszug gegen die Portugiesen von São Paulo de Luanda verraten zu haben. Was sagst du zu dieser Anklage?«
    »Ich streite sie ganz und gar ab.«
    »Leiste einen Eid auf diesen Knüttel.«
    Ich berührte sein Zepter an der Spitze. Woraufhin ich leise erschauderte und dachte, daß vielleicht schon nächste Woche jemand einen meiner Knochen schwingen könnte. »Ich tue hiermit kund«, sagte ich laut, »daß ich niemals einen Verrat gegen das Jaqqa-Volk begangen habe noch gegen seinen Herrn Imbe Calandola, noch gegen seinen und meinen Bruder Kinguri.«
    Und indem ich dies sagte, musterte ich tief Imbe Calandola und dann Kinguri, der meinen Blick mit Augen erwiderte, die wie glühende Kohlen waren, voller Feuer und Haß.
    Calandola machte eine Geste. »Wir haben in diese Schüssel drei Früchte gegeben«, sagte der Medizinmann, der mir die Schüssel hinhielt, »die ein tödliches Gift enthalten. Suche, nimm und iß, und wenn du kein Verbrechen begangen hast, wird dein Mokisso dich vor Schaden bewahren.«
    Und nun fiel meine seltsame Ruhe von mir ab, als hätte ich einen Mantel abgelegt, und ich empfand von den Zehen bis zu den Haarwurzeln eine große Furcht, ich, der ich gedacht hätte, ich hätte die Erfahrung der Todesfurcht schon lange überwunden; denn ich erinnerte mich an jenes eine Mal, da ich gesehen hatte, wie ein Jaqqa diesen Eid geleistet hatte und wie der Mann, für den der Tod bestimmt war, schreckliche Geräusche gemacht hatte und wie seine Kehle angeschwollen und er würgend gestorben war, was eine schreckliche Todesart ist.
    Doch ich tat ganz kühn, als ich mich anschickte, die Frucht auszusuchen. Der Nganga- Mann hielt die Schüssel hoch, damit ich an den Früchten keine Spuren oder Einstiche sehen konnte, und ich griff hinein und wurde wieder ruhig und zuversichtlich und sagte mir, daß ich schon oft bereit gewesen war, Gott den Tod zurückzuzahlen, den ich ihm schuldete, da er mir das Leben geschenkt hatte, und wenn dies der Augenblick war, dann sei dem so, und wenn er es nicht war, würde er lediglich später kommen. Und ich nahm eine Frucht und biß hinein, und ich fand den Geschmack süß und angenehm, mit keinem Hinweis auf ein Gift, und aß sie und spuckte den Kern aus, und lächelte breit und sagte: »Nun, damit ist bewiesen, daß mich keine Mittäterschaft trifft.«
    »Wähle eine andere«, sagte der Medizinmann.
    »Ich habe gewählt!«
    »Dieses Gottesurteil verlangt, daß du drei Früchte wählst«, sagte Kinguri.
    »Beim anderen Mal, als drei Früchte gereicht wurden, war dem nicht so«, sagte ich, »und da war nur eine vergiftet, und der Angeklagte mußte das Risiko nur einmal eingehen…«
    »Dies ist eine andere Prüfung«, sagte Kinguri, und als ich hilfesuchend zu Imbe Calandola sah, erwiderte er meinen Blick ausdruckslos und wartete wie eine steinerne Statue darauf, daß ich die nächste Frucht nahm.
    Der Nganga schob mir die Schüssel hin. Und ich wählte erneut.
    Ich war mir nun sicher, daß sie mich an diesem

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