Herr der Finsternis
dachte an unsere frühe Liebe und auch an ihre Schönheit und das Feuer, das sie in mir entfachte. Ich nahm an, daß ihr geschnitztes Idol immer noch Macht über mich besaß, obwohl ich es damals in den Fluß geworfen hatte. Wie konnte ich sie sterben lassen? Ich hatte geschworen, sie zu schützen; dieser Eid band mich noch; und wenn ich müßig zusah und sie sterben ließ, war ich kein Mann.
Und doch war sie verloren. Sie wurde gut bewacht, und es würde unser beider Leben kosten, sollte ich einen überstürzten Befreiungsversuch unternehmen. So brütete ich einen Tag und einen zweiten vor mich hin, ohne zu einer Lösung zu kommen, und die Zeit wurde knapp für Doña Teresa. Ich mußte bald handeln oder eingestehen, daß ich sie im Stich gelassen hatte. Wer tanzt, muß weitertanzen, auch wenn er nur hüpft.
Während dieser Zeit kam Golambolo zu mir hinaus, dem die Späher unterstanden, die die umliegenden Bezirke überwachten. Er verbeugte sich vor mir und sagte: »Nachrichten vom portugiesischen Heer, o Andubatil!«
»Und welche Nachrichten, Golambolo?«
»Es hat Ndala Chosa verlassen und zieht durch das Land.«
»In welche Richtung?« fragte ich höchst erregt.
»Sie scheinen es selbst nicht zu wissen. Zuerst zogen sie zum großen Wasserfall, und dann wandten sie sich wieder gen Westen, und schließlich gen Süden, als wollten sie gegen Langere ziehen. Ich glaube, sie haben keinen Streitplan; sie ziehen nur durchs Land und hoffen, auf Feinde zu stoßen.«
»Ah. Wir müssen sie genau beobachten.« Ich schloß die Augen, rief mir das Bild der Gegend in Erinnerung, die Lage eines jeden Ortes am Fluß Kwanza und auch unsere eigene Position südlich davon. Und sagte zu Golambolo: »Schicke eine doppelte Anzahl von Spähern aus, die stündlich überprüfen sollen, welche Richtung das Heer nimmt. Und wenn es die Richtung seines Marsches verändert, sollen deine Läufer eine Kette bilden: das heißt, der eine Läufer überbringt die Nachricht einem zweiten, der noch frisch ist, und dieser wieder dem nächsten, so daß mich die Nachricht so schnell wie der Wind erreicht. Ich muß sie sofort erfahren.«
Er salutierte und eilte davon, um zu gehorchen. Und am nächsten und übernächsten Tag trafen sehr häufig Nachrichten bei mir ein: daß die Portugiesen schnell marschierten, aber anscheinend noch ohne Ziel, und daß ein großes Heer in das Gebiet einmarschierte, bei dem Ndala Chosa, Langere und Agokayongo die Enden eines Dreiecks bildeten. Daraus ließ sich nicht schließen, daß sie wußten, welch große Streitmacht wir in Agokaycongo versammelt hatten, noch hatten Golambolos Männer Anzeichen ausgemacht, daß die Portugiesen in unsere Richtung marschieren müssen. Doch irgend etwas braute sich zusammen, denn nun waren sie nur noch einen Tagesmarsch – oder vielleicht ein bißchen mehr als das – von uns entfernt. Erneut verdoppelte ich die Zahl der Späher unter Golambolos Befehl, so daß wir genaue Kenntnisse bekommen würden.
Calandola war mittlerweile damit beschäftigt, sich außerhalb von Agokayongo auf halber Strecke zwischen seinem und dem anderen Heer mit Kafuche Kambara zu beraten. Ich wurde zu diesen Treffen nicht geladen und auch die anderen Jaqqa-Generale nicht: Es kamen lediglich diese beiden hohen Herren zusammen, um ihre Taktik der Plünderung São Paulo de Luandas zu beraten. Doch ich glaube, es gab irgendeinen politischen Zwist zwischen ihnen und Zorn, der mit dem Fortschreiten der Verhandlungen immer heißer kochte; denn es kamen Gerüchte ins Jaqqa-Lager, daß die andere Streitmacht das Bündnis mit uns auflösen oder uns sogar wieder angreifen würde. Dafür sprach auch, daß der Imbe-Jaqqa verdrossen und abweisend war, wenn er zu uns zurückkehrte, und sich mit einigen seiner Frauen zurückzog und wir nichts mehr von ihm sahen.
So meldete ich ihm die Bewegungen der portugiesischen Streitmacht nicht. Ich sah es einfach als zu meiner Autorität gehörig an, dieses Heer mit Golambolos Männer zu überwachen und mir alle diesbezüglichen Entscheidungen vorzubehalten, bis eindeutig war, in welche Richtung es zog. Es bestand nur aus ein paar hundert Mann, und wir waren viele tausend; wenn sie in unsere Nähe kamen, würden wir sie leicht überwältigen können.
Dann – der Mond stand noch immer ungünstig – rief mich Calandola plötzlich zu sich und erklärte: »Lade deine Muskete, Andubatil, denn wir werden morgen in den Krieg ziehen.«
»Fürst Calandola, ist das nicht übereilt?«
Er
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