Herr der Finsternis
Tag zu Tode bringen würden, daß mich Kinguri weitermachen ließ, bis ich eine der vergifteten wählte; und um die Sache zu beschleunigen, biß ich zu, spuckte den Kern aus und schluckte und wunderte mich und fühlte keinen Tod in meinen Adern.
»Erneut ist meine Unschuld bewiesen, Imbe Calandola!«
»Nimm eine weitere«, sagte der Medizinmann unerbittlich.
Ah, also würde die Knochenhand jetzt zugreifen, und sie hatten das Gift für die dritte aufbewahrt, um dem Spiel mehr Reiz zu verleihen!
Die Schüssel schwebte über mir. Ich griff hinaus und traf meine Wahl.
»Jesu behüte mich«, sagte ich. »Der Herr sei mir gnädig. Die Engel mögen mich schützen.«
Und ich nahm die dritte Frucht in den Mund.
Und diesmal hatte ich die sichere Gewißheit, daß meine letzte Stunde geschlagen hatte, ich bald zu meiner letzten Ruhe gerufen und mit meinem Vater und meinen toten Brüdern im Himmel schreiten würde. Ich kannte kein Zittern der Furcht, nur die größte Zuversicht, daß der Erlöser die Auferstehung und das Leben war und daß mein Erlöser lebte und daß ich, obwohl ich nun im Schattental des Todes wandelte, nichts Böses zu fürchten hatte, denn Er war bei mir, und Sein Zepter und Sein Stab behüteten mich.
Ich aß die Frucht und spuckte den Kern aus, sah zu Kinguri, meinem dunklen Bruder, der nun mein Feind geworden war, und sah das Feuer seiner Augen und die Strenge seines Blicks. Und ich fiel nicht, und ich würgte und hustete nicht, und ich starb nicht; und dieses Tau zwischen Kinguri und mir riß, denn er setzte sich mit tiefster Enttäuschung und tiefstem Widerwillen zurück und schnaubte leise, weil ich noch lebte. Von Calandola kam ein donnerndes Gelächter, und der Imbe-Jaqqa stand auf, schlug die Hände zusammen und rief: »Es ist vollbracht, Andubatil! Dein Mokisso ist bei dir und beweist deine Unschuld!« Und er nahm dem Medizinmann die Schüssel mit den Palm-Früchten aus den Händen, schleuderte sie in die Büsche und streckte mir in kameradschaftlichem Jubel die Arme entgegen.
12
So kehrte ich in die Gunst des Imbe-Jaqqa zurück, und mein Leben war nicht mehr in Gefahr. Ich wurde freigelassen und nahm neben Imbe Calandola Platz, um seinen Wein mit ihm zu teilen, und alle Männer der Jaqqa-Nation jubelten mir wieder als einem ihrer Fürsten zu. Alle bis auf Kinguri, der sich verdrossen abgesondert hielt, wie damals Achilles in seinem Zelt.
Doch noch war die Sache mit Doña Teresa nicht ausgestanden: Denn ihr drohte die Todesstrafe, und Gnade für sie gab es nicht. Und ich stand bei Calandola auch nicht so hoch in der Gunst, daß ich sie freibekommen konnte, denn sie hatte einen eindeutigen Verrat begangen. Wäre es ihrem Sklaven gelungen, den Portugiesen ihre Warnung zu über bringen, hätte dies das Ende von Calandolas Kriegsplan bedeutet. So würde sie ohne weitere Gottesurteile sterben, doch erst, wenn der Nganga- Mann sagte, der richtige Augenblick für die Hinrichtung sei gekommen.
Calandolas Plan, gegen São Paulo de Luanda zu marschieren, war durch diese kürzlichen Ereignisse erst einmal zurückgestellt und aufgeschoben worden, und nun wurde er wieder zurückgestellt, denn der Mond war in eine dafür ungeeignete Phase geglitten. Es durften keine bedeutenden Taten unternommen werden, bis die Medizinmänner ihre Zustimmung gaben. Der Mond hat eine große Bedeutung für diese Jaqqas, die glauben, daß er eine mächtige Wirkung auf den Körper des Menschen hat, seiner Gesundheit abträglich ist und gemieden werden muß. In klaren Vollmondnächten wenden sie sich mit besonderen Gebeten an ihre Mokissos und stellen alle wichtigen Unternehmungen zurück. Kinguri erzählte mir einmal, daß er zu solch einer Zeit sein Gebet einmal vergessen und der Mond, der auf seine Schulter leuchtete, ihm außerordentliche Schmerzen und ein heftiges Brennen verursacht hatte, so daß er beinahe den Verstand verloren habe, doch schließlich, nach langen Qualen, durch Medizinen und Bannsprüche Linderung bekam. Doña Teresas Hinrichtung machte ein großes Fest erforderlich, und dieses Fest konnte erst stattfinden, wenn der Mond richtig stand, und der Krieg konnte erst nach dem Fest beginnen, und daher stand alles still und hing unbeweglich in der Schwebe.
Bei Gottes Blut, ich wollte nicht zulassen, daß sie getötet wurde!
Sie ging mir nicht aus dem Kopf, und trotz allem, was sie mir angetan hatte, konnte ich nicht vergessen, wie sie für mich gesorgt hatte, als ich damals so krank gewesen war; und ich
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