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Herr der Finsternis

Herr der Finsternis

Titel: Herr der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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hohen Männer des Kannibalenstammes bereits versammelt hatten; und ihre Gesichter waren überaus ernst und grimmig. Imbe Calandola saß auf seinem Hohethron, geschmückt mit einem Halsband mit gebleichten Knochen und ein Zepter in der Hand, das ebenfalls aus einem Knochen bestand, dem eines Unterschenkels vielleicht; und neben ihm waren Kinguri, genauso ernst, und andere hohe Fürsten. Und auf dem Boden vor ihnen lag, gefesselt und verschnürt, so daß sein Körper überaus schmerzhaft wie ein Bogen gekrümmt war, ein Schwarzmohr, den ich nicht kannte, einer der Bakongo-Sklaven, die die Jaqqas in ihrem Lager hielten. Beim Anblick dieses Mannes entwand sich Doña Teresas Kehle ein leises, zischendes Geräusch und dann ein tiefes Stöhnen des Schmerzes oder Leids. Was mir dazu verhalf, die geheimnisvollen Vorgänge, die mir widerfahren waren, zu entschleiern, und woraufhin mir die Beine den Dienst zu versagen drohten, als ich begriff, was geschehen sein mußte. Schockiert und erzürnt sah ich Doña Teresa an, doch sie erwiderte meinen Blick nicht. Dann führten die, die uns hielten, uns auf verschiedene, fast gegenüberliegende Seiten des Rats-Kreises. Mein Herz schlug mit fürchterlicher Macht, und ich sah zu ihr hinüber, wußte ich doch, daß sie mich erneut verraten hatte, ohne daß ich bereit war, dies von ihr zu glauben; doch sie wollte mich nicht ansehen.
    »Es hat einen Verrat gegeben«, sagte Kinguri.
    Ah, dann war es also wahr! Und doch war ich entschlossen, mich von dieser Tat abzusondern, denn ich hatte keinen Anteil an ihr.
    »Guter Bruder, was ist geschehen?« fragte ich. »Und warum werde ich festgehalten? Ich habe nichts Unrechtes getan.«
    »Das werden wir herausfinden«, sagte Kinguri.
    Er deutete auf den Bakongo-Sklaven. »Ist dieser Mann dein Geschöpf, Andubatil?«
    »Ich habe sein Gesicht noch nie gesehen.«
    »Aye. Aber vielleicht hast du durch einen Mittelsmann mit ihm gesprochen, um ihm einen Auftrag zu erteilen.«
    »Ich verstehe nicht, was du meinst«, sagte ich. Ich sah zu Calandola hinüber, der so fern wie Zeus hoch über dieser Versammlung saß, keinen Anteil an ihr zu nehmen schien und die Augen abgewandt hatte, und ich sagte: »Mächtiger Fürst Imbe-Jaqqa, ich frage dich, was hier vor sich geht.«
    »Richte deine Fragen an mich«, sagte Kinguri kalt, und Calandola machte keine Anstalten, meinen Worten zu antworten.
    »Dann frage ich dich erneut…«
    »Du hast diesen Mann nicht angeheuert, einen Auftrag für dich auszuführen?«
    »Das habe ich nicht.«
    »Und deine portugiesische Frau auch nicht?«
    Mit tiefem Zorn schaute ich zu Doña Teresa hinüber, die meinen Blick einen Moment lang erwiderte, und ihre Augen waren hart und hell vor Schrecken.
    »Ich weiß nicht, was sie mit diesem Mann zu tun gehabt hat, wenn sie überhaupt etwas mit ihm zu tun gehabt hat«, sagte ich. »Ich wurde, wie du weißt, in letzter Zeit sehr von den Kriegsvorbereitungen in Anspruch genommen.«
    »Ah«, sagte Kinguri. »Natürlich: wie konnte ich das nur übersehen? Aber es hat einen Verrat gegeben, Andubatil.«
    Er nickte einem gewaltigen Jaqqa zu, der vortrat und die Fesseln des Bakongo-Sklaven noch etwas anspannte, was dem gequälten Mann einen Schmerzensschrei entlockte. Dann sagte Kinguri in der Sprache des Sklaven: »Sage uns erneut, wozu man dich angestiftet hat und wer.«
    »Nach… nach São Paulo de Luanda zu gehen…« sagte der Mann leise, denn er lag so gekrümmt und verspannt da, daß er die Worte kaum hinausbekam; denn die Verhöre, die die zivilisierten Völker auf der Streckbank durchführen, finden bei den Jaqqas auf diese Art statt.
    »Zu welchem Zweck?« fragte Kinguri.
    »Um die… Portugiesen zu warnen… daß die… Jaqqas kommen…«
    »Ah. Um sie zu warnen! Hörst du, Imbe-Jaqqa? Verstehst du die Worte dieses Mannes?«
    Calandola runzelte überaus verdrossen die Stirn.
    Kinguri beugte sich zu dem Sklaven hinab, bedeutete, daß die Fesseln noch etwas angespannt werden sollten, und sagte zu ihm: »Und welche Personen haben dir diesen Auftrag gegeben?«
    »Frau… Portugiesenfrau…«
    »Die, die du hier siehst?«
    »Diese.«
    »Und welche andere Person?«
    »Frau… die Frau…«
    »Die Frau, ja, doch wer sonst noch?«
    Von dem Sklaven kam nur Gestöhn und Gewimmer.
    »Lockert die Fesseln ein wenig«, sagte Kinguri, und es geschah. Dann hockte sich der langbeinige Jaqqa so ernst wie ein Kardinal der Heiligen Inquisition über den schweißnassen Gefangenen und sagte erneut: »Welchen

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