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Herr der Krähen

Herr der Krähen

Titel: Herr der Krähen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ngugi wa Thiong
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ich hatte. Er war einfach nur glücklich darüber, dass ich krank war und deshalb nicht ins Büro konnte. Er klang sehr beunruhigt, als ich ihm sagte, es gehe mir wieder besser und ich wolle die Arbeit wieder aufnehmen. Er freute sich natürlich, dass die Krankheit nicht tödlich war – er ist schließlich ein sehr guter Freund, wie ihr wisst –, aber er will trotzdem nicht, dass ich schnell wieder gesund werde, zumindest nicht so gesund, um wieder ins Büro gehen zu können. Die Menge da draußen wird warten, bis ich zurückkehre. Deshalb soll ich mich erst wieder gesund melden, wenn die Vertreter der Global Bank alle Warteschlangen besichtigt und die massenhafte Unterstützung erlebt haben. Erst am Tag der Einweihung soll ich wieder in der Öffentlichkeit erscheinen. Dadurch ist die Regierung in der Lage, die Warteschlangen effektiv für ihre Bitte um Gelder von der Bank zu nutzen.“
    Er machte eine Pause, um sich über die Wirkung seiner Worte auf ihren Gesichtern zu freuen. Tajirika redete, als wären die Warteschlangen seine Idee gewesen. Mit stolzem Blick wandte er sich an Nyawĩra.
    „Der Aushang, den Sie angebracht haben, Nyawĩra, trägt jetzt also Früchte, die sogar der Herrscher freudig erntet. Kurz gesagt, ein einfacher Aushang wird die Geschichte Aburĩrias, ja Afrikas und der ganzen Welt, verändern. Und jeder wird ein klein wenig von dieser Manie profitieren, auch ihr beiden.“
    Nyawĩra und Vinjinia schauten sich skeptisch an und fragten sich, wie sie von einem Aushang profitieren sollten, der lediglich verkündete, dass die Firma Zeitarbeiter einstellte.
    Tajirika fühlte sich blendend. „Glückwunsch also“, sagte er lachend, wobei sich sein schlecht rasiertes Kinn rhythmisch auf und ab bewegte.
    „Glückwunsch? Wozu?“, fragte Vinjinia.
    „Wer, glaubt ihr, wird diese Firma während meiner beabsichtigten patriotischen Abwesenheit wohl leiten? Ihr, mein pflichtgetreues Tandem. Du, Vinjinia, bist ab sofort amtierende Geschäftsführerin von Eldares Modern Construction and Real Estate, und Sie, Nyawĩra, sind die stellvertretende Geschäftsführerin.“
    Er hoffte, in ihren Augen Dankbarkeit für die Beförderungen zu lesen, die er gerade vorgenommen hatte.
    „Und keinen Putsch gegen den abwesenden Chef!“, scherzte er. „Den Anschlag dürft ihr nicht entfernen. Für die Öffentlichkeit bin ich immer noch bettlägerig und kann deshalb nicht ins Büro kommen. Wenn ihr Anrufe entgegennehmt oder mit Besuchern sprecht, denkt immer daran, dass ich noch krank bin. Wenn diese Leute wegen irgendeines Geschäfts vorsprechen, sollen sie sich an die amtierende Geschäftsführerin Mrs. Vinjinia Tajirika wenden und bei ihr die Briefumschläge abgeben. Sollte jedoch jemand auftauchen, der mich unbedingt persönlich sprechen will, dann ruf mich zu Hause an, Vinjinia, und verbinde mich mit ihm. Aber erst, wenn er eine ordentliche Summe zusätzlich in den Umschlag gesteckt hat, als besonderen Ansporn für den Kranken, sein Lager zu verlassen und den Hörer abzunehmen. Mit den Beförderungen will ich mich bei euch beiden bedanken, dass ihr euch zusammengetan und mich zum Herrn der Krähen gebracht habt. Seine Macht hat mein Leben bereits verändert.“
    Nyawĩra warf einen kurzen Blick in die Ecke, in der Kaniũrũ saß, und stellte fest, dass er immer noch da war, vertieft in seine Zeitung. Der tut nur so, als ob er liest, sagte sich Nyawĩra, denn sie war felsenfest davon überzeugt, dass seine Augen, Ohren und Nase alles genau aufnahmen. Trotzdem wollte sie Tajirika weitere Informationen über die bevorstehende Einweihung des Bauplatzes für Marching to Heaven entlocken.
    „Wann wird der Herrscher den Bauplatz weihen?“, fragte sie, als wollte sie lediglich etwas sagen, ohne sich tatsächlich für das Datum zu interessieren.
    „Ich kenne nicht alle Einzelheiten“, antwortete Tajirika. „Aber machen Sie sich keine Gedanken. Sobald ich sie weiß, sage ich Ihnen Bescheid. Ich möchte nämlich, dass ihr beide mit dabei seid. Was habe ich Ihnen versprochen, Nyawĩra? Sie nie zu vergessen! Seit Sie in meinem Büro angefangen haben, laufen meine Angelegenheiten bestens, und ich möchte Ihnen meine Dankbarkeit und Anerkennung aussprechen. An dem gesegneten Tag werde ich meinen Freund Minister Machokali bitten, Sie mit auf die Bühne des Herrschers zu setzen, damit er und die ganze Welt erfahren, dass ich es gemeinsam mit Ihnen war, der die Menschenschlangen zustande brachte. Der Herrscher schüttelt Ihnen

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