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Herr der Krähen

Herr der Krähen

Titel: Herr der Krähen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ngugi wa Thiong
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habe ich mich bei dem Wunsch ertappt, ich könnte unverhofft A.G. in die Arme laufen, und er würde etwas über dich ausplaudern. Aber A.G. glaubt ja, dass du und ich ein und dieselbe Person sind; in seinen Augen gibt es nur einen Herrn der Krähen, der sich nach Belieben in einen Mann oder eine Frau verwandeln kann. Nein, A.G. kann mir nicht helfen.“
    Nach Kamĩtĩs Verschwinden kam es Nyawĩra vor, als läge eine fortdauernde Grabesstille über ihrem Haus. Als sie in der ersten Nacht auf dem Bett saß und vor sich hinstarrte, dachte sie daran, dass sich vor ihrer Tür bald wieder die übliche nächtliche Warteschlange bilden würde. Was sollte sie den Leuten sagen? Wie konnte sie sie fortschicken? Das Letzte, was sie brauchte, war eine Erinnerung daran, dass er nicht da war. Sie beschloss, das zu tun, was ihrer Meinung nach Kamĩtĩ in einer ähnlich misslichen Lage getan hätte: Nutze ihre Angst vor der Hexerei, um sie fortzuschicken. Sie nahm einen Karton und schrieb: EURE FEINDE HABEN DIESES GELÄNDE MIT UNHEIL VERSEUCHT, UM EUCH ZU VERFÜHREN. ICH BIN GEGANGEN, UM REINIGENDEN TRANK ZU BESORGEN; BEMÜHT EUCH NICHT NACHZUSEHEN, OB ICH WIEDER ZURÜCK BIN: ICH WERDE EINE ANZEIGE IN DIE ZEITUNG SETZEN, UM MEINE RÜCKKEHR BEKANNTZUGEBEN. – DER HERR DER KRÄHEN. Sie befestigte die Tafel draußen an der Wand, schloss die Tür und löschte das Licht. Sie wollte sich im Haus lieber im Dunkeln bewegen. Sie hatte das Gefühl, als wären da Hunderte Augenpaare, die sie aus der Dunkelheit anstarrten. Nur im Bett fühlte sie sich sicher.
    Seit der Trennung von ihrem Mann war Nyawĩra es gewöhnt, allein zu leben. Nur selten hatte sie Gäste. Sogar ihre Freundinnen aus der Schulzeit und dem Studium besuchten sie eher in der Arbeit als zu Hause. Lediglich ihre beiden Cousinen kamen zu ihr nach Hause, aber das geschah meistens am Wochenende. Anfangs war es ihr schwergefallen, allein in einem Haus zu leben. Aber im Lauf der Zeit hatte sie Gefallen daran gefunden und ihre Freiheit schätzen gelernt. Sie musste niemandem erklären, wo sie war, wie sie ihren Tag verbrachte oder warum sie spät nach Hause kam. Antworten war sie nur sich selbst schuldig. Warum diese plötzliche Einsamkeit nach dem Verschwinden eines Menschen, den sie kaum kannte?
    Ihre Behelfstafel zeigte die gewünschte Wirkung; als sie später aus dem Fenster spähte, konnte sie auf der Straße keinen einzigen menschlichen Schatten entdecken. In den folgenden Tagen blieben die unerwünschten Besucher nach und nach völlig aus. Am vierten Tag nahm sie das Schild ab.
    Vollständig mit Kamĩtĩ beschäftigt, blätterte Nyawĩra die Zeitungen nach Unfallmeldungen oder Anklagen durch und hoffte und fürchtete sich gleichermaßen davor, seinen Namen zu finden.
    Ein Gedanke schoss ihr durch den Kopf. Was, wenn Kamĩtĩ gar nicht der war, der zu sein er vorgegeben hatte? Was, wenn er in Wirklichkeit ein auf sie angesetzter Polizeispitzel war? Könnte das nicht Tajirikas unverständliche Bemerkung über ihre Altersgenossen in der Bewegung erklären, die jetzt in Schwierigkeiten steckten? Hate Tajirika es ehrlich gemeint, als er ihr versprach, sie dem Herrscher vorzustellen? In ihrem Hirn machte sich auch die Frage breit, warum Kaniũrũ so früh am Morgen im Mars Café gesessen hatte. Doch sobald sie sich Kamĩtĩs Stimme, sein Gesicht und sein Lachen sowie seine Sorge um das Wohlergehen anderer ins Gedächtnis rief, wurde sie ruhiger.
    Die zweite und dritte Nacht waren einfacher für sie, weil sie an Versammlungen der Bewegung teilnahm. Sie hatte alles berichtet, was sie über Marching to Heaven wusste. Sie hatte weitergegeben, dass der Herrscher und der Außenminister beabsichtigten, die Vertreter der Global Bank zu den dichtesten und längsten Warteschlangen zu führen, als Beweis für die Unterstützung des Volkes für das Projekt Marching to Heaven. Am wichtigsten aber war, dass die Regierung bald einen Tag bestimmen würde, an dem der Herrscher den Bauplatz für Marching to Heaven einweihen sollte. Lang und breit diskutierten sie darüber, wie sie reagieren konnten. Einige schlugen vor, weitere Flugblätter zu verteilen, um die zynischen Pläne des Herrschers aufzudecken. Die Leute sollten aufgefordert werden, die Schlangen aufzulösen und die Pläne zu durchkreuzen, durch die sie ausgebeutet werden sollten. Andere argumentierten, die Warteschlangen seien das Ergebnis der hohen Arbeitslosigkeit und die Leute würden sie deshalb niemals auflösen. Sie diskutierten

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