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Herr der Krähen

Herr der Krähen

Titel: Herr der Krähen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ngugi wa Thiong
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schüttelte er allen Vertretern der Global Bank, den Botschaftern und allen Führern der verschiedenen religiösen Gemeinschaften die Hand.
    Machokali wies in seiner Eröffnungsrede noch einmal auf die kolossale Größenordnung von Marching to Heaven hin. Er forderte die Zuhörer auf, sich den Kilimandscharo vorzustellen und dessen Höhe mit tausend zu multiplizieren! „Stellt euch einen Schatten vor“, fuhr er fort, „der sich über Eldares, Aburĩria, den afrikanischen Kontinent legt und sich ostwärts bis auf die andere Seite des Indischen Ozeans und westwärts bis auf die andere Seite des Atlantischen Ozeans erstreckt. Selbst das würde noch nicht in Ansätzen den Schatten beschreiben können, den Marching to Heaven nach seiner Fertigstellung über den Erdball werfen würde.
    Abgesehen vom Turm zu Babel, wird dies der einzige Versuch des Menschen sein, ans Himmelstor zu gelangen“, sagte er weiter, „und wenn er vollendet ist, wird er das eine und einzige Superwunder des Erdballs sein! Darum sind wir in Aburĩria so glücklich und fühlen uns über alle Maßen geehrt, dass die Delegation der Global Bank an dieser Versammlung einfacher Bürger teilnimmt. Diese Delegation, die zugleich das Weltfinanzministerium repräsentiert, hat zwar ihren Bericht noch nicht abgeschlossen, aber wir sind zuversichtlich, dass sie nicht vergessen werden, was sie hier mit eigenen Augen gesehen haben. Dieses Projekt erfreut sich breitester Unterstützung durch die Massen. Mit eigenen Augen konnte die Delegation die Menschenschlangen erleben, die sich über die ganze Stadt verbreitet haben. Und welche Botschaft übermitteln diese Schlangen und die Menschen, die sich hier versammelt haben, der Global Bank und der gesamten Welt? Ganz einfach! Die aburĩrischen Massen sind fest entschlossen, auf Kleidung, Wohnraum, Bildung, Medizin und sogar Nahrungsmittel zu verzichten, um jede Bedingung der Bank für die Finanzierung von Marching to Heaven zu erfüllen. Aufwärts immer, runter nimmer! Das ist unsere neue Parole. Wir werden nicht ruhen, bis wir vor dem Himmelstor stehen. Wir schwören bei den Kindern unserer Kinder unserer Kinder unserer Kinder bis zum Ende dieser Welt – ja, wir schwören sogar bei den Generationen, die nach dem Ende der Welt auf die Welt kommen –, wir werden jeden Cent des Kredits und alle Zinsen ad infinitum zurückzahlen. Unser Herrscher ist keiner dieser Dritt-Welt-Führer, die immer über ihre Verbindlichkeiten jammern und darum betteln, ihnen die Schulden zu erlassen.“
    Diejenigen, die glaubten, die Global Bank wäre auf einer Mission, Geld direkt ans Volk zu verteilen anstatt an den Staat, wurden ein wenig enttäuscht. Einige stöhnten protestierend auf, doch nahmen sie an, Machokali würde lediglich die Erwartungen etwas dämpfen, bevor der Herrscher oder der Chef der Global-Bank-Delegation den eigentlichen Coup verkünden würde.
    Machokali, der keine öffentliche Wiederholung der interministeriellen Spannungen wünschte, die bei den Geburtstagsfeierlichkeiten aufgetreten waren, gab keinem anderen Minister Gelegenheit zu sprechen. Am Ende seiner Eröffnungsrede verkündete er schnell, nun würden verschiedene Theatertruppen den Herrscher und seine Gäste unterhalten und das Volk auf die weisen Worte des großen Führers einstimmen.
    Die Ersten waren Schulkinder aus Eldares und Umgebung. In ihren Liedern priesen sie die allseits bekannten Auslandsreisen des Führers auf der Suche nach Nahrung für sein Volk in Zeiten von Dürre und Hungersnöten. Sein Wehklagen für das Volk hätte nun sogar die Ohren der Global Bank erreicht, die eine Mission nach Aburĩria schickten, um Geld für Marching to Heaven zur Verfügung zu stellen. Singend verkündeten sie ihre Hoffnung, dass das Projekt so bald wie möglich vollendet werden würde, denn dann wäre der Herrscher eins mit Gott.
    Machokali war euphorisch. Die Lieder hatten die wichtigsten Anliegen des Projekts kurz und bündig zusammengefasst. Er bat die Menge, den Kindern ihren Applaus zu schenken. „Habt ihr sie singen gehört?“, fragte er rhetorisch. „Er, der so nah bei Gott ist, wird immer der Erste sein, der seiner Segnung teilhaftig wird.“
    Die meisten anderen Gruppen, einschließlich der Erwachsenen, beschlossen ihre Lieder und Tänze mit demselben Lob auf den Führer und seinen Einsatz für Aburĩria in den Hauptstädten des Westens. Wie gewöhnlich seinen Stab und den Fliegenwedel in der Hand, nahm der Herrscher die Lobpreisungen mit breitem

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