Herr der Krähen
Lächeln entgegen und wandte sich von Zeit zu Zeit seinen Gästen zur Linken und zur Rechten zu, um sie auf das eine oder andere Detail der Vorstellung hinzuweisen. Manchmal hob er auch einfach den Fliegenwedel, als verteilte er seinen Segen.
Und jetzt waren die Frauen an der Reihe. Man erwartete, dass ihre Lieder und Tänze in ausgedehnte Jubelgesänge mündeten, als eine Art Präludium zum Eigentlichen, zur Rede des Herrschers. Die Aufführungen von Frauen, vor allem von Frauen in fortgeschrittenem Alter, riefen immer Aufregung hervor, als ob das Publikum sich in der Feier der weiblichen Jugend im Alter wiedererkannte. Eine ähnliche Erwartung lag auch jetzt in der Luft.
Sikiokuu, der sich ärgerte, nicht im Rampenlicht zu stehen, sah in den Frauen eine Möglichkeit, sich einzuschmeicheln. Er trat zum Herrscher, um ihm zu sagen, welch nette und hervorragende Möglichkeit sich für ein Foto ergäbe, wenn sich der Herrscher im geeigneten Augenblick unter die tanzenden Frauen mische und persönlich den einen oder anderen Schritt versuchen würde. Anschließend sollte er einige Diplomaten bitten, sich ihm anzuschließen, und auf diese Weise würde die Welt erfahren, dass der Herrscher wahrhaftig ein Mann des Volkes sei. Machokali war außerstande, dieser Idee entgegenzutreten, die offensichtlich ganz nach dem Geschmack des Herrschers war, modifizierte ihn aber durch seinen Vorschlag, dass es besser sei, dies nach seiner Rede zu tun, während des großen Finales, in dem alle Sänger und Tänzer noch einmal zusammenkämen. Dem Herrscher gefiel der Ausdruck „großes Finale“ und stimmte zu.
„Und hier“, tönte die Stimme von Minister Machokali, „kommen die Frauen!“
Die Frauen, unter ihnen Nyawĩra, kamen paarweise in die Arena. Aus allen Richtungen, nicht anders gekleidet als die Menge. Nichts unterschied sie von ihr, mit Ausnahme ihrer geordneten Formation und ihres würdevollen Einzugs. Sie schritten schweigend und ernst herein wie bei einem Bestattungszug. Auch die Menge wurde still und schaute ehrfurchtsvoll auf die schier endlosen Schlangen von Frauen. Als die Vordersten der einzelnen Formationen den direkt vor der Bühne gelegenen Teil der Arena erreichten, kreuzten sie, drehten sich um und schritten auf die sitzende Menge zu. Sie setzten sich, doch scheinbar nur, um sich im nächsten Augenblick wieder zu erheben und ihren Zug fortzusetzen. Nach ein paar Sekunden konnte man kaum mehr erkennen, ob diejenigen, die jetzt am Umzug teilnahmen, noch immer dieselben waren wie zuvor. Von der Bühne sah es so aus, als hätten die Züge weder Anfang noch Ende. Oder vielmehr, als wäre es eine einzige Bewegung, die viele Anfänge und Enden hatte. Ihr Aufmarsch vollzog sich weiterhin außerordentlich diszipliniert. Der Herrscher war von dieser Zurschaustellung ihrer Unterstützung, die mit so feierlichem Ernst vorgetragen wurde, sehr gerührt. Er hob seinen Fliegenwedel und winkte damit, zum Zeichen des Respekts für ihre Hingabe an Marching to Heaven.
Doch dann senkte sich der Wedel und sein Herz stockte. Erregung erfasste ihn und alle anderen auf der Bühne. Die Frauen bewegten sich plötzlich nicht mehr. Sie standen reglos, die Gesichter der Bühne zugewandt, die Finger auf den Herrscher gerichtet, und riefen im Chor: „Lass Rachael frei! Lass Rachael frei!“ Ihr Chorus war ohrenbetäubend, und alle auf der Bühne schienen von ihrer Dreistigkeit gebannt.
„Und dann“, erzählte Nyawĩra, „drehten wir uns wie geplant plötzlich um und kehrten der Bühne den Rücken. Wir alle hoben die Röcke und streckten denen auf der Bühne den Hintern entgegen. Anschließend hockten wir uns hin, als wollten wir in der Arena unser Geschäft erledigen. Unsere Leute in der Menge fingen an zu rufen: MARCHING TO HEAVEN IST EIN HAUFEN SCHEISSE! MARCHING TO HEAVEN IST EIN BERG SCHEISSE! Und die Menge nahm den Ruf auf. Es gab zwei oder drei Frauen, die vergaßen, dass das nur eine Simulation dessen war, was unsere weiblichen Vorfahren als letztes Mittel einsetzten, wenn ein Punkt erreicht war, an dem sie von einem Despoten keine weitere Scheiße mehr hinnehmen mochten; sie pinkelten und furzten laut. Vielleicht mussten sie ja wirklich. Oder die Angst überkam sie. Oder beides.“
Einige ausländische Diplomaten lachten; sie glaubten, es sei ein humoristischer Eingeborenentanz. Als sie jedoch sahen, dass die Staatsbeamten und Minister nicht lachten, beherrschten sie sich und folgerten, dieser Tanz sei, so pornografisch er
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