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Herr der Krähen

Herr der Krähen

Titel: Herr der Krähen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ngugi wa Thiong
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zusammen, alle fünf, eine Art Bruderschaft der Finger. Dann macht der Daumen eines Tages den Vorschlag: ‚Ziehen wir los.‘ ‚Wohin?‘, fragen die anderen. ‚Zu Mr. Ndegos Bank‘, antwortet der Daumen. ‚Und was wollen wir dort?‘, möchten die anderen wissen. ‚Den Besitzer bestehlen, die Bank ausrauben‘, sagt der Daumen. ‚Und was, wenn man uns erwischt?‘, fragen sie. ‚Hey! Ich werde nicht dort gewesen sein‘, sagt der Daumen. Und bis auf den heutigen Tag gibt sich der Daumen völlig unschuldig, steht abseits der anderen vier, die auch in ihrem Verbrechen zusammengehören.“
    Tajirika wollte Njoya auf die Fehler in seiner Erzählung hinweisen. In der traditionellen Geschichte war es der kleine Finger, der die Idee mit dem Diebstahl hatte, und eine Bank kam überhaupt nicht darin vor. Außerdem hatte Njoya die Geschichte vom Daumen mit einer völlig anderen vermischt, in der eine Mutter, die auf die Frage ihres Kindes, wohin sie denn gehe, nur die ausweichende Antwort gibt, sie gehe zum Haus eines erfundenen Ndego zu einem Essen, das nur aus einer einzige Bohne bestehe. Aber Tajirika blieb stumm. Er war angesichts der Wendung in Njoyas Verhör und der Veränderung in seinem Tonfall, der unterschwellig Hochverrat und Tod implizierte, wütend und vor Schreck gelähmt.
    „Mir gefällt überhaupt nicht, was Sie da unterstellen. Ich bin ein loyaler Bürger. Um ganz offen zu sein: In diesem Schrein bin ich ohne mein Wissen gelandet. So krank war ich. Und ich bin der Arbeit auch nicht nur einen Tag, sondern mehrere ferngeblieben, über eine Woche. Warum sollte ich mein Lebenswerk und meinen Besitz riskieren, um eine Schlange aus Arbeitslosen und Gesindel zu organisieren? Eine Warteschlange aus Jobsuchenden ist nicht gerade ein festlicher Umzug.“
    „Sie behaupten, tagelang, ja sogar über Wochen hinweg nicht im Büro gewesen zu sein. Haben Sie das Büro dichtgemacht?“
    „Nein.“
    „Und wer hat sich während Ihrer Abwesenheit um das Büro gekümmert?“
    „Die Sekretärin. Ich meine, sie war schließlich die Einzige, die …“
    „Mit Sekretärin meinen Sie immer noch diese Nyawĩra?“
    „Ja … aber meine Frau, Vinjinia, ging später ebenfalls ins Büro und übernahm die Verantwortung. Die vollständige Verantwortung. Was hatte ich Ihnen gesagt? Sie ist nicht vom Lande. Sie ist hochgebildet. Sie besitzt …“
    „Nyawĩra und Vinjinia waren also zugegen, als der Schlangenwahn anfing? Ist es das, was Sie sagen wollen?“
    „Ja.“
    „Die beiden sind also die Einzigen, die als Augenzeugen berichten können, was sich dort abgespielt hat?“
    „Sie sagen es.“
    „Was?“
    „Nur diese beiden können einen genauen Bericht liefern, weil sie dort waren. Alles, was ich weiß, stammt vom Hörensagen.“
    „Wann sind Sie wieder zur Arbeit gegangen?“
    „Nach der Versammlung auf dem Baugelände von Marching to Heaven.“
    „Die im Eldares Park stattfand?“
    „Sie sagen es.“
    „Ersparen Sie mir dieses Jesus-Gehabe. Was wollen Sie damit andeuten, Mr. Tajirika? Soll ich etwa den Pontius Pilatus für Ihren Jesus Christus abgeben?“
    „Nein, nein, nein. Davon würde ich nicht einmal zu träumen wagen. Ich bin ein Mensch. Ich bin ein Sünder.“
    „Dann gestehen Sie Ihre Sünden!“
    „Was soll ich denn gestehen?“
    „Ich war nicht dabei, als Sie gesündigt haben.“
    „Was wollen Sie von mir?“
    „Antworten Sie einfach vollständig auf meine Fragen. Handelt es sich bei dem Tag, an dem Sie die Arbeit wieder aufnahmen, um denselben Tag, an dem Sie geheilt wurden?“
    „Nein, da war ich schon wieder gesund. Schon ein paar Wochen lang, um genau zu sein. Ich habe mich zu Hause erholt und nichts Erwähnenswertes getan.“
    „Mr. Tajirika, Sie verwirren mich immer mehr. Bitte erklären Sie mir das. Wollen Sie mir weismachen, dass Sie zwischen dem Tag, an dem Sie zum Vorsitzenden von Marching to Heaven ernannt wurden, und dem Tag der Einweihung des Bauplatzes nicht ein einziges Mal im Büro gewesen sind, um zu prüfen, wie die Dinge standen?“
    „Ich bin ein Mal hingegangen. An diesem Morgen, als ich vom Doktor …“
    „Sie meinen vom Schrein des Hexendoktors?“
    „Ja, vom Haus des Wahrsagers. Um ganz ehrlich zu sein, war das auch der Tag, an dem ich zum ersten Mal die Warteschlangen gesehen habe. Glauben Sie mir, Officer, es war ein überwältigender Anblick. Ein furchteinflößender Anblick. Die Reihen zogen sich durch ganz Santamaria. Das Büro wurde regelrecht belagert. Ich habe

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