Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Herr der Krähen

Herr der Krähen

Titel: Herr der Krähen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ngugi wa Thiong
Vom Netzwerk:
Sie, wenn Sie sich weiterhin so kooperativ verhalten, einer Verbesserung Ihrer Lage entgegensehen können. Ich möchte Sie nur davor warnen, uns anzulügen. Erinnern Sie sich noch? Nur die Wahrheit wird Euch frei machen. Haben Sie mir auch wirklich alles erzählt?“
    „Ich habe Ihnen nach bestem Wissen und Gewissen geantwortet.“
    „Und Sie haben auch nichts für sich behalten? Eine kleine Einzelheit vielleicht? Irgendetwas?“
    „Nein. Nichts.“
    „Eine letzte Frage noch: Wie heißt eigentlich der Zauberer, der Sie geheilt hat?“
    Diese Frage traf ihn unvorbereitet. Er wollte schon antworten, Herr der Krähen, als ihm plötzlich aufging, was das zur Folge haben könnte. Geld. Die drei Säcke mit Geld. Was, wenn der Wahrsager das Vorhandensein dieser drei Säcke mit Burĩ-Scheinen zugab und außerdem, was noch schlimmer wäre, dass es sich bei dem Geld um die Visitenkarten derer handelte, die hofften, Gewinn aus Marching to Heaven zu schlagen? Das Letzte, was irgendjemand erfahren sollte, war, dass er Geld aus einem Projekt eingesackt hatte, an dem der Herrscher beteiligt war. Die drei Säcke mit Burĩ-Scheinen mussten um jeden Preis ein Geheimnis bleiben, das nur in den tiefsten Windungen seines Gedächtnisses lagerte.
    „Ich kenne seinen Namen nicht.“
    „Sind Sie tatsächlich sicher? Sie kennen den Namen des Hexenmeisters nicht?“
    „Ein Wahrsager ist einfach als Wahrsager bekannt. So ist das häufig, nicht nur in meinem Fall. Viele, die solche Heiler aufsuchen, machen sich nicht die Mühe, sich ihre Namen zu merken. Ein Wahrsager ist schließlich nicht unbedingt jemand, den man zu einer Feier oder zu einem Gespräch unter vier Augen ins Büro einladen würde.“
    Darüber musste Njoya lachen.
    „Sie haben Sinn für Humor, Mr. Tajirika.“
    „Vielen Dank, Mr. Officer.“
    „Sagen Sie Elijah zu mir, Ihrem Freund.“
    „Elijah, mein Freund“, sagte Tajirika folgsam. „Kann ich jetzt gehen?“
    „Warum nicht? Ich kümmere mich um Ihre Überführung. Viel Glück, Mr. Tajirika.“
    Als er allein zurückblieb, fühlte sich Tajirika mit einem Mal niedergeschlagen. Doch als er diese Begegnung noch einmal vor seinem geistigen Auge vorüberziehen ließ, empfand er Erleichterung. Er verspürte sogar ein Triumphgefühl, als ihm klar wurde, dass er nicht nur alle Versuche abgewehrt hatte, ihn mit Nyawĩra, dem Schlangenwahn und den angeblichen Verschwörungen Machokalis in Verbindung zu bringen. Er hatte es auch vermeiden können, Einzelheiten über seine Krankheit preisgeben zu müssen, und war mit einer Lüge über den Namen des Herrn der Krähen davongekommen. Was jedoch am wichtigsten war, er hatte nichts über die drei Geldsäcke verraten. Und außerdem hatte er Njoya auf seine Seite gezogen und zu seinem Freund gemacht. Schon morgen würde er wieder in seinem Bett in Golden Heights schlafen.

18
    Sein neuer Freund Njoya kam aber weder an diesem Abend noch am nächsten oder an irgendeinem anderen wieder, und Tajirika gab es auf, die Tage zählen zu wollen. Und dann, eines Tages, holten sie ihn wieder und verbanden ihm wie zuvor die Augen, und als sie die Augenbinde später abnahmen, saß er inmitten eines Lichtkegels auf dem einzigen Stuhl in einem völlig leeren Raum. Sonst war es dunkel. Am Rand des Lichtkreises glaubte er Spuren von frischem und getrocknetem Blut auszumachen, was seine schlimmsten Befürchtungen bestätigte. Sie würden ihm antun, was sie auch zahllosen anderen angetan hatten, deren Blut auf dem Zementfußboden die Bedrohung bezeugte. Er stand auf und ging wie benommen in die Dunkelheit außerhalb des Lichtkegels. Der Scheinwerfer folgte ihm und aus noch größerer Finsternis erscholl eine Stimme.
    „Wer hat dir erlaubt aufzustehen?“
    „Wer sind Sie?“, fragte Tajirika schreckerfüllt und erstarrte.
    „Ich bin Superintendent Kahiga, Peter Kahiga.“
    „Wo ist Njoya, Superintendent Njoya? Er hat mir versprochen … Was ist aus meiner Überführung geworden?“
    „Die hängt einzig und allein von deinen Antworten auf meine Fragen ab.“
    „Aber ich habe Ihnen bereits alles erzählt, was ich weiß. Was habe ich denn nicht gesagt?“
    „Das kannst nur du wissen. Und ich warne dich, ich bin nicht so verständnisvoll wie Njoya. Ich lass mich nicht so leicht von Tränen beeindrucken. Ich bin hart wie Fels. Und wenn du Spielchen treibst, baumelst du bald kopfüber von der Decke.“
    „Was wollen Sie von mir?“, fragte Tajirika, den ein schauriges Gefühl beschlich, als er mit

Weitere Kostenlose Bücher