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Herr der Krähen

Herr der Krähen

Titel: Herr der Krähen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ngugi wa Thiong
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mich durch die Hintertür hineingeschlichen, ein Spezialeingang.“
    „Mal sehen, ob ich das richtig verstanden habe. An diesem Tag waren Sie also nicht krank?“
    „Ich habe Ihnen doch bereits gesagt, dass ich da gerade vom Doktor kam.“
    „Dem Hexendoktor?“
    „Dem Wahrsager.“
    „Machen wir uns nicht wegen eines Wortes verrückt. Ich will von Ihnen Folgendes wissen: Sie waren zu diesem Zeitpunkt von Ihrer Krankheit völlig geheilt?“
    „Ich versichere Ihnen, dass ich vollständig geheilt war. Ich habe mich nie im Leben besser gefühlt.“
    „Also, Mr. Tajirika, warum sind Sie dann, obwohl Sie wieder gesund waren, nicht ins Büro gegangen? Oder meldeten sich die Herzprobleme zurück, als Sie die Warteschlangen gesehen haben?“
    „Sie haben gesagt, dass ich die Wahrheit sagen soll, die ganze Wahrheit und nichts als die Wahrheit, so wahr mir Gott helfe.“
    „Und die Wahrheit wird Euch frei machen. Steht es nicht so in der Bibel?“
    „Sie haben aber gesagt, dass ich mich nicht in Haft befinde.“
    „Das ist nur eine Redewendung. Sagen Sie die Wahrheit und beschämen Sie den Teufel.“
    „Wissen Sie, nachdem es mir gelungen war, mich unbemerkt in mein Büro zu schleichen, habe ich Machokali angerufen.“
    „Den Minister?“
    „Es gibt in diesem Land nur einen Machokali, und der ist mein Freund.“
    „Ich will nur auf Nummer sicher gehen. Wir Polizisten sind wie Ärzte. Ärzte der Neuzeit, keine Hexendoktoren oder, wie Sie sie nennen, Wahrsager. Ein guter moderner Arzt stellt sicher, dass er alle Einzelheiten über eine Krankheit kennt. Weil er nur dann die richtige Medizin verschreiben kann. Wir bei der Kriminalpolizei sind Wahrheitssucher, und wir haben es gern, wenn wir unseren Fall auf Tatsachen aufbauen können. Ist es also korrekt, wenn Sie den Namen Machokali erwähnen, dass von Machokali die Rede ist, dem einen und einzigen Minister für Auswärtige Angelegenheiten in der Regierung des Herrschers von Aburĩria?“
    „Ja, das ist korrekt. Ich habe ihn angerufen, um ihn zu fragen, ob er nicht die Armee einsetzen könnte, die Menschenmenge auseinanderzutreiben.“
    „Eigenartig. Hat der Minister jemals zu Ihnen gesagt, dass er über die Macht verfügt, die Armee für irgendetwas einzusetzen?“
    „Ich glaubte, als Minister wüsste er, wen er in einem solchen Fall ansprechen muss.“
    „Sagen Sie mir, Mr. Tajirika, hat der Minister jemals gesagt, dass er von der Existenz einer Person oder einer Gruppe von Personen weiß, die neben dem Herrscher über die Macht zu verfügen glaubten, den Einsatz der Armee zu befehlen?“
    „Oh, nein, nein. Nichts dergleichen. Aber was er zu mir sagte, veranlasste mich, die Warteschlangen mit anderen Augen zu sehen.“
    „Und was hat er zu Ihnen gesagt?“
    „Er sagte, diese Schlangen seien äußerst wichtig.“
    „Wichtig?“
    „Ja, weil die Schlangen zeigten, dass die Bevölkerung Marching to Heaven in vollem Umfang unterstützt. Die Schlangen würden diese Unterstützung demonstrieren.“
    „Weiter, was noch?“
    „Tatsächlich war es der Minister, der mir riet, nicht zur Arbeit zu gehen und zu Hause zu bleiben, als wäre ich noch krank …“
    „Vorgeben, dass Sie krank wären? Warum?“
    „Damit die Schlangesteher sich nicht trennen, sobald die Jagd nach einem Job auf die eine oder andere Art erledigt ist. Solange Sie auf mich warteten, hofften sie, und die Hoffnung würde die Warteschlangen am Leben halten.“
    „Er hat Ihnen also gesagt, dass Sie lügen und vorgeben sollen, immer noch krank zu sein, obwohl Sie sich nie in Ihrem Leben besser fühlten?“
    „Nein, nicht so, wie Sie das jetzt ausdrücken. Er wollte lediglich, dass die Schlangen erhalten blieben, solange die Global-Bank-Delegation im Land war und sich nicht auflösten, bevor die Einweihung des Bauplatzes für Marching to Heaven stattgefunden hat.“
    „Na gut. Fassen wir mal zusammen. Sie sind in der Klemme wegen einer vorgeschobenen Krankheit. Sie lassen sich überreden, zu Hause zu bleiben, um wieder gesund zu werden. Wer hat sich dann um Ihr Geschäft gekümmert?“
    „Vinjinia, meine Frau. Ich habe sie deshalb zur kommissarischen Geschäftsführerin ernannt. Mit der … der … Sie wissen schon … der Sekretärin als ihrer Assistentin. Als Hilfskraft.“
    „Sie meinen Nyawĩra?“
    „Genau die.“
    „Und weil Vinjinia nicht gerade viel Erfahrung hatte, war es eigentlich Nyawĩra, der Sie die Führung Ihrer Geschäfte anvertrauten. Ist es nicht so?“
    „Ja, Nyawĩra

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