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Herr der Krähen

Herr der Krähen

Titel: Herr der Krähen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ngugi wa Thiong
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den Minister für Auswärtige Angelegenheiten mit den großen Augen, unter Druck setzen. Sikiokuu war sich allerdings bewusst, dass er mehr in der Hand haben musste, als seine Vermutungen und Schlussfolgerungen. Er brauchte Beweise, und die konnte er nur von einer einzigen Person bekommen: Tajirika. Sikiokuu musste einen Weg finden, Tajirika zu überreden, sich auf seine Seite zu schlagen und gegen seinen Freund Machokali auszusagen. Mit Worten, körperlichem Zwang oder beidem. Und das konnte er nur erreichen, wenn er Tajirika mit der Wirklichkeit dessen konfrontierte, was er, Sikiokuu, vermutete.
    Er nahm das Video, küsste es und brachte es in Sicherheit. Er überlegte nicht weiter. Man durfte keine Zeit verstreichen lassen. Er schickte nach Tajirika.
    „Ihr Leben liegt allein in Ihren Händen“, erklärte Sikiokuu ihm.

2
    Auf Kaniũrũ hatte das Video eine ganz andere Wirkung: Er grübelte über Tajirikas Aussage über die symbolischen Burĩ-Münzen in den Umschlägen als Vorboten eines künftigen Reichtums. Kaniũrũ wusste aus eigener Erfahrung als Stellvertretender Vorsitzender, dass Tajirika log, was die Menge des Geldes in den Umschlägen anging. Seit er seinen Dienst als Stellvertreter von Marching to Heaven angetreten hatte, war nicht ein einziger Tag vergangen, an dem Kaniũrũ nicht eine oder zwei Taschen mit diesen Antrittsumschlägen vollgestopft hatte. Wie viel mehr Beute musste also sein Chef bereits vor ihm gemacht haben?
    Doch genau wie zuvor Tajirika würde Kaniũrũ niemals seinem Freund und Wohltäter Sikiokuu ein Wort darüber anvertrauen. Und er tat es auch nicht. Obwohl er also sehr genau wusste, dass Tajirika bezüglich des Geldes log, war sich Kaniũrũ gleichzeitig darüber im Klaren, dieses Thema selbst nie zur Sprache bringen zu können, denn das hieße, die Quelle seines eigenen plötzlichen Wohlstands preiszugeben. Kaniũrũ konnte außerdem sicher sein, dass Tajirika wusste, dass er, Kaniũrũ, Geld entgegennahm. Als er sich das Video ansah, geriet er einen Augenblick in Panik, weil er fürchtete, Tajirika könnte sich über ihn auslassen. Doch als er es vollständig angeschaut hatte und das Geld nicht mehr erwähnt worden war, tröstete sich Kaniũrũ selbstzufrieden mit der Tatsache, dass auch Tajirika hinsichtlich des Geldes gelogen hatte. Es war, als bestünde zwischen ihnen ein stillschweigendes Abkommen, nicht darüber zu sprechen, dass sie persönlich von Marching to Heaven profitiert hatten, und was das anging, traute Kaniũrũ seinem Gegner. Alles andere wäre der sichere Weg in die gegenseitige Zerstörung gewesen. Zumindest beim Geld, das sie mit Marching to Heaven einstrichen, standen er und Tajirika auf derselben Seite.
    Die Einzige, die von Kaniũrũs Wohlstand wusste, war Jane Kanyori. Sie hatte am Eldares Polytechnic, an dem Kaniũrũ früher unterrichtete, Buchhaltungskurse belegt, kennengelernt hatten sie sich jedoch erst später, als sie als Schalterbeamtin in der Aburĩrian Bank of Commerce and Industry arbeitete. Kaniũrũ hatte sie im Auge gehabt und ihren beruflichen Aufstieg beobachtet; nicht weil er sie bewunderte, sondern eher mit Blick auf die Zukunft. Er hofierte sie mit einer für ihn ungewöhnlichen Geduld, führte sie zum Mittagessen oder zum Kaffee aus und schickte ihr sogar Weihnachts- und Geburtstagskarten. Kaniũrũ gefiel, dass Jane Kanyori nur einen Oberschulabschluss hatte, kein Interesse an einem Universitätsstudium zeigte und Nyawĩras frauenbewegtem Unsinn völlig gleichgültig gegenüberzustehen schien.
    Als er erfuhr, dass sie wieder befördert worden war, diesmal zur Verkaufsleiterin, und damit Zugang zu Duplikaten kodierter Signaturen hatte und Schecks gegenzeichnen konnte, vertraute Kaniũrũ ihr seine Notlage an. Kanyori würde zwar kaum einem groben Missbrauch ihres Zugangs zu Bankgeheimnissen zustimmen, konnte aber helfen, indem sie nicht zu viele Fragen nach den Unterschriften der Leute stellte, in deren Namen er ein Konto einrichten wollte.
    Obwohl er mit der Hilfe und Loyalität Kanyoris zufrieden war, machte er sich Sorgen. Je mehr Burĩ-Scheine in seine Taschen flossen, desto größer wurde seine Angst, die Glücksblase könnte platzen und sein Wohlstand sich in Luft auflösen. Nächtelang wälzte er sich mit diesen Befürchtungen im Bett; er brauchte etwas Sichereres als Banktresore und die Buchhaltungstabellen einer loyalen Freundin.
    Die Erwähnung symbolischer Münzen rief ihm wieder ins Gedächtnis, dass Tajirika in den

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