Herr der Krähen
hieß, dass auch sein Freund Markus Machokali, der Außenminister, noch seinen Posten besaß. Irgendwie wirkte das belebend auf Tajirika.
„Mr. Minister“, begann Tajirika in zerknirschtem Ton. „Ich weiß, man kann nicht gerade behaupten, wir beide wären die besten Zechkumpane. Aber bitte glauben Sie mir, wenn ich sage, ich würde niemals Umsturzpläne gegen den Herrscher tolerieren oder unterstützen, ganz egal von wem, meine Frau und meine Kinder eingeschlossen. Meine Treue zum Herrscher und seiner Regierung ist absolut.“
Sikiokuu nahm den deutlich abflauenden Trotz in Tajirikas Stimme als Zeichen dafür, dass er auf dem besten Wege war zu bekommen, was er sich von dieser Unterredung erhoffte. Weniger angetan war er von der offensichtlichen Aufrichtigkeit in Tajirikas Leugnen und der Entschlossenheit in seiner Haltung dem Herrscher gegenüber. Überzeugungen sind schwerer zu zertrümmern als bewusster Widerstand.
Sikiokuu füllte noch etwas Brandy in Tajirikas Glas.
„Hier, ein kleiner Brandy wird Ihnen gut tun. Wie ich von Anfang an gesagt habe: Ich persönlich glaube Ihnen.“
„Dann helfen Sie mir. Bitte, helfen Sie mir“, bettelte Tajirika zwischen zwei Schlucken.
„Ich habe mich nie einer Bitte um Hilfe verschlossen. Aber wie Sie wissen: Gott hilft denen, die sich selbst helfen. Darum habe ich Ihnen gesagt, Ihr Leben liegt in Ihren Händen. Ich kann Ihnen nicht helfen, solange Sie nicht ehrlich wollen, dass ich Ihnen helfe.“
„Ich gebe Ihnen die Hälfte meines Vermögens.“
„Ich brauche Ihr Vermögen nicht. Auch nicht das eines anderen. Mir liegt einzig die Sicherheit des Herrschers und seiner Regierung am Herzen.“
„Und wie soll ich mir dann helfen, damit ich Sie dazu bringe, mir zu helfen?“, fragte Tajirika mit weinerlicher Stimme.
„Fangen wir einfach mit der Frage nach Ihrer Krankheit an. Ich glaube, Sie haben sie meinen Männern als Krankheit der Worte beschrieben, Worte die Ihnen im Halse stecken geblieben sind. Ist das so richtig?“
„Ja. So in etwa.“
„Haben Sie vor dem Schlangenwahn jemals unter dieser Krankheit gelitten?“
„Nein.“
„Und seither?“
„Auch nicht.“
„Und diese Krankheit wurde dadurch ausgelöst, dass Sie sich danach sehnten, Weißer zu werden? Durch das unerfüllte Verlangen, ein weißer Europäer zu sein?“
„Ein weißer Engländer, das ist richtig.“
„Also, Titus, ich möchte, dass Sie einmal tief durchatmen, bis zehn zählen und über die folgende Frage nachdenken. Was haben Sie als Ergebnis Ihrer mutmaßlichen Heilung über die wirkliche Bedeutung der weißen Hautfarbe gelernt?“
„Wie meinen Sie das?“
„Sie haben nicht unter dem unerfüllten Verlangen gelitten, ein armer Weißer zu sein, oder?“
„Okay, ich sehnte mich nach der Macht, die mit dem Weißsein verbunden ist“, gab Tajirika zu.
„Politische Macht, militärische Macht, die Macht zu herrschen“, fügte Sikiokuu rasch hinzu und betonte die Worte wie ein Lehrer, der sich bemüht, das Verständnis seines Schülers zu befördern. „Nein, nicht einfach nur zu herrschen, sondern Schutzgebiete zu schaffen, Kolonien, Reiche, im Angesicht derer die Glorie von Rom, London und Paris verblasst? Titum Imperium Tajirikum Majestica?“
„Nein. Nein. Nein. Niemals. Das stimmt nicht“, antwortete Tajirika und sprang auf, als hätte er sich aus Versehen auf eine Reißzwecke gesetzt. „Ich habe nie von der Macht zu herrschen geträumt und auch nicht daran gedacht. Und schon gar nicht, sie mit Gewalt zu ergreifen. Derartige Gedanken und Träume weise ich aufs Entschiedenste zurück“, beharrte Tajirika mit Nachdruck. „Ich habe mir einfach etwas gewünscht, das mich von anderen Schwarzen unterscheidet. Aber niemals politische Macht – nein, ich nicht.“
„Titum Imperium Tajirikum Majestica geht vielleicht ein bisschen zu weit“, sagte Sikiokuu, überrascht darüber, wie vehement Tajirika alles bestritt. „Aber wie ist Ihr Verlangen, weiß zu sein, entstanden? Wenn schon nicht Sie, dann muss jemand anderes diesen einfältigen Wunsch geäußert haben, vielleicht nur indirekt: Wenn ich bloß die Macht eines Weißen hätte. Oder, wenn die Regierung in meinen Händen läge, dann wäre ich so mächtig wie ein Weißer. Irgend so etwas. Überlegen Sie, Titus, denken Sie nach und haben Sie den Mut, Ihren Gedanken zu folgen, egal wohin oder zu wem sie Sie führen.“
Widerstreitende Gedanken und Ängste schwirrten in Tajirikas Kopf herum, während er die
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