Herr der Krähen
er verreist, lässt er ein Stück seiner Macht zurück, wie man an diesem Bild sehen kann. Eine Art Stigma“, fügte er mit einem Lächeln hinzu, das den Herrn der Krähen und die zwei Begleiter Kahiga und Njoya, die an der Tür stehen geblieben waren, einschloss. „Lasst uns bitte allein“, sagte er zu seinen treuen Leutnants. „Ich möchte mich privat mit meinem – nun ja – Gast unterhalten“, fügte er hinzu und signalisierte dem Herrn der Krähen, sich zu setzen.
Dem Abgang von Njoya und Kahiga folgte ein unbehagliches Schweigen. Die beiden Männer musterten einander. Dann beugte sich Sikiokuu nach vorn, senkte ein wenig die Stimme und bemühte sich um eine gewisse Vertrautheit.
„Es tut mir leid, dass ich Sie warten lassen musste, aber mir ist ein Notfall dazwischengekommen. Ach! Welche Bürden wir Minister tragen müssen! Ihr Ruhm ist der Regierung zu Ohren gekommen. Oder genauer: mir. Ich muss Ihnen etwas gestehen. Als ich den Namen Herr der Krähen hörte, dachte ich an einen alten Mann am Stock, siebzig oder älter, mit einem Fliegenwedel in der Hand und einem Tabaksbeutel um den Hals. Und nun, siehe da! Ein junger Mann im Designeranzug. Ein moderner Hexenmeister? Oder sogar postmodern?“
„Postkolonial“, korrigierte der Herr der Krähen.
„Ein postkolonialer Hexenmeister?“, legte Sikiokuu nach und lachte laut. „Und ein Zauberer mit Sinn für Humor, was? Man hat mir gesagt, es gebe kein Handbuch der Hexerei, das Sie nicht verschlungen haben. Mal unter uns, wissen Sie, was mich am meisten auf Sie aufmerksam gemacht hat? Ihre Vorsicht. Als ich hörte, Sie wollten nicht, dass Ihre Klienten und Nachbarn davon erfahren, Sie könnten Teil einer kriminalistischen Untersuchung werden und unsere Zusammenarbeit mit äußerster Geheimhaltung anzugehen wünschten, lehnte ich mich zurück und sagte mir: Endlich mal einer, der weiß, wie es in der Welt zugeht. Denn in dem Moment, in dem die Nachricht die Runde macht, dass der Herr der Krähen uns hilft, Kriminelle zu fassen, wäre er kaum noch von großem Nutzen für uns, weil mögliche Verdächtige einen weiten Bogen um ihn und seinen Schrein machen würden. Darum habe ich meine Leutnants in Zivil und im Mercedes zu ihnen geschickt. Haben Sie jemals von einem anderen Hexenmeister gehört, der von einem Minister mit solcher Rücksichtnahme behandelt wurde? Alles aus Respekt Ihnen gegenüber. Ich wollte bereits gestern Abend mit Ihnen ins Geschäft kommen, aber leider wurde ich durch wichtige Staatsangelegenheiten davon abgehalten. Glauben Sie mir, ein Bettler auf der Straße genießt größeren Seelenfrieden als ein Kabinettsminister …“
„Der Kopf, auf dem die Krone ruht, schläft nicht gut.“
„Genau, genau“, sagte Sikiokuu. „Manchmal finden wir überhaupt keinen Schlaf. Aber ich will Sie nicht mit unseren Problemen belasten. Lassen Sie mich vielmehr sagen, wie ich mir die Agenda für unseren Abend vorstelle, ja? Sobald Sie mit dem fertig sind, weswegen Sie hier sind, werden wir Sie im Schutz der Dunkelheit zu Ihrem Schrein zurückbringen. Ihre Nachbarn werden nichts merken; es wird so aussehen, als wären Sie niemals weg gewesen – Sie haben mein Wort, die Sache wird nicht über uns drei hinausgetragen. Das heißt aber nicht, dass der Staat Sie jemals vergessen wird. Oh, nein. Die Regierung hat viele Möglichkeiten, Menschen wie Ihnen ihre Dankbarkeit zu beweisen. Das Wichtigste für Sie ist, dass Sie Ihre Arbeit ordentlich machen und uns helfen, die Verbrecherin Nyawĩra zu fassen.“
„Ich verstehe nicht ganz, worum Sie mich bitten“, sagte der Herr der Krähen.
„Wir haben das ganze Land nach Nyawĩra abgesucht, überall, und nicht die geringste Spur auch nur ihres Schattens gefunden. Wir wünschen, dass Sie Ihre Beschwörungskräfte einsetzen, Ihr Wahrsagungsvermögen, was auch immer, all Ihre Zauberkünste, um uns zwei Fragen zu beantworten. Lebt Nyawĩra oder ist sie tot? Wenn sie tot ist, wo wurde sie begraben? Wenn sie lebt, wo versteckt sie sich?“
„Entschuldigen Sie bitte“, sprach der Herr der Krähen. „Es scheint, als hätten Ihre Männer nicht verstanden, was ich ihnen gesagt habe. Ich war der Ansicht, mich klar und deutlich ausgedrückt zu haben, aber ich habe mich wohl getäuscht. Ich habe Ihren Leuten gesagt, meine Aufgabe ist es, Dämonen aufzuspüren, die die Seele oder den Körper befallen, ihre ist es, Verbrecher zu fangen.“
„Halten Sie die Polizei nicht zum Narren. Sie weiß genau, wann es jemand
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