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Herr der Krähen

Herr der Krähen

Titel: Herr der Krähen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ngugi wa Thiong
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Prost.“
    „Prost und tausend Dank, Silver“, sagte Tajirika mit glühendem Gesicht, angeregt von der Gesellschaft.
    Sie tranken wie die besten Freunde und tauschten Belanglosigkeiten aus.
    „Soll ich raten, was Sie als Erstes machen, wenn Sie nach Hause kommen?“, fragte Sikiokuu. „Es Ihrer Frau besorgen. Ich kann mir nur vorstellen, wie sehr Sie es vermisst haben müssen. Das ist es, woran Sie denken. Geben Sie es zu, Titus.“
    „Sie haben recht. Ich denke daran, es ihr zu besorgen, aber nicht, wie Sie sich das vorstellen.“
    „Titus, es gibt so viele Möglichkeiten, es einer Frau zu besorgen“, erwiderte Sikiokuu lachend. „Vielleicht bin ich zu konservativ. Ich habe drei Frauen, abgesehen von einigen Geliebten, und glauben Sie mir, ich habe es nie anders als MP gemacht.“
    „ MP ?“, fragte Tajirika und wunderte sich, was ein Mitglied des Parlaments mit Frauen und Geliebten zu tun hatte.
    „Missionarsposition“, meinte Sikiokuu lachend.
    „Oh, ich hatte nicht einmal das im Kopf. Ich dachte eher an ein paar Schläge auf ihren Körper.“
    „Warum sollten Sie das tun, wenn Sie doch gerade erst nach Hause kommen?“
    „Weil sie sich mit den Frauen eingelassen hat“, antwortete er.
    „Frauen? Ist Ihre Frau eine von denen? Ich dachte, Sie hätten gesagt …“
    „Wenn es nur darum ginge, dass sie sich mit einer Frau im Bett wälzt“, sagte Tajirika, „würde ich sagen, das ist ihre Sache. Aber in aller Öffentlichkeit dort zu sitzen, während die Frauen vor ihr tanzen? Das ist etwas anderes. Wenn Sie nicht so nett gewesen wären, mir diese Bilder zu zeigen, hätte ich die Wahrheit wohl nie erfahren.“
    Im Gedanken an seinen Sieg hatte Sikiokuu die Fotos völlig vergessen. Jetzt fielen sie ihm mit Schrecken wieder ein. Wenn Tajirika Vinjinia verprügelte oder wegen der Fotos auch nur mit ihr stritt, konnte die Wahrheit ans Licht kommen, bevor die Geständnisse die ihnen zugedachte Rolle gespielt hatten.
    „Mal unter uns, Titus, ich bin froh, dass Sie die Bilder noch einmal erwähnen, weil Sie mich daran erinnern, was ich Ihnen noch mit auf den Weg geben wollte, bevor Sie nach Hause gehen, aber das kann ich ebenso gut auch jetzt sagen. Wenn Sie heimkommen, verlieren Sie kein Wort über die Bilder und schon gar nicht über die Tänzerinnen. Ich möchte, dass Sie sich Vinjinias Geschichte anhören, oder vielmehr ihr Lügenmärchen. Aber Sie dürfen sie nicht anrühren, bis wir nicht jedes Detail dieser Affäre untersucht haben.“
    „Wollen Sie mir damit sagen, dass ich ohne Ihre Erlaubnis meine Frau nicht verprügeln darf?“, fragte Tajirika trotzig.
    „Ich bitte Sie nicht, vom Frauenverprügeln abzulassen. Wie kann ich von Ihnen verlangen, das aufzugeben, was die moderne aburĩrische Männlichkeit ausmacht?“
    „In Ordnung, einen vorübergehenden Waffenstillstand, aber …“
    „Ich schlage Ihnen etwas vor. Wir richten eine Hotline ein. Wann immer Sie das Bedürfnis haben, Ihre Frau zu verprügeln, rufen Sie mich bitte an und ich werde Ihnen sagen, ob die Zeit dafür reif ist.“
    „Okay!“, sagte Tajirika, dem der Gedanke an eine Hotline gefiel.

20
    Am frühen Abend schickte Sikiokuu Kahiga und Njoya nach dem Herrn der Krähen. Er konnte gerade einen Erfolg verbuchen – warum nicht einen zweiten anstreben? Man muss das Eisen schmieden, solange es heiß ist, dachte er und pfiff zufrieden und erwartungsvoll vor sich hin.
    Was dem Herrn der Krähen heftig in die Nase stieg, als er Sikiokuus Büro betrat, war ein durchdringender Geruch nach verwesendem Fleisch. Es erinnerte ihn an Tajirika und seinen Kübel mit Scheiße. Tajirika muss hier gewesen sein, dachte er, daher der Gefängnisgeruch im Raum. Er war ein wenig benommen und versuchte, den Geruch abzuwehren und sich zu beruhigen, indem er sich im Raum umschaute, wobei sein Blick für einen Moment an dem Porträt des Herrschers auf dem Tisch hängenblieb. Warum ein Handtuch neben dem Bild?, wunderte er sich. Dann entdeckte er Flecken auf Augen, Ohren, Nase und Mund des Bildes und einige Sekunden lang hatte er das seltsame Gefühl, als sähe er – oder glaubte zu sehen – eine dickliche, dunkle Flüssigkeit aus ihnen heraussickern. Sikiokuu bemerkte, worauf sein Blick gefallen war.
    „Ein wenig einschüchternd, nicht wahr“, sagte Sikiokuu, als er wie nebenbei das Foto in die Hand nahm, es flüchtig ansah und dann liebevoll, fast zärtlich mit dem Handtuch abwischte, bevor er es auf eine Kommode in der Ecke stellte. „Sogar wenn

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