Herr der Krähen
bereits Geld gescheffelt hatte. Die Entdeckung, dass einige Leute bereits an dem Projekt verdienten, hatte ihn schwer getroffen. Die Leute machten also schon Geld mit Marching to Heaven, und keiner hatte ein Wort darüber verloren? Da stehe ich und reise durch die Welt, den Hut in der Hand, nehme gar Beleidigungen von der Global Bank auf mich, und diese Leute häufen hinter meinem Rücken ein Vermögen an? Wie viel hatten sie einkassiert? Wer war noch darin verwickelt? Das waren die Fragen, auf die er nun Antworten hören wollte. Doch musste er vorsichtig sein, um Tajirika nicht zu erschrecken, der sich nicht in sein Schneckenhaus zurückziehen durfte, ohne zuvor die Namen seiner Komplizen zu nennen.
Tajirika befand sich also nicht nur mittendrin, zwischen Beschuldigungen und Gegenbeschuldigungen von Sikiokuu und Machokali, sondern er war auch der Ursprung von Misstrauen und Groll im Gemüt des Herrschers. Er spürte die Spannungen, nahm aber an, sie hätten mit seinem Geständnis zu tun, und wie Sikiokuu und Machokali ging er davon aus, befragt zu werden. Die erste Frage des Richters jedoch überraschte sogar die beiden Minister, obwohl sie die launischen Einfälle des Herrschers kannten.
„Was hast du uns mitgebracht?“, fragte der Herrscher Tajirika beinahe sanft.
„Eure Allmächtige Vortrefflichkeit, man hat mich frühmorgens abgeholt und ich hatte keine Zeit …“, stammelte Tajirika und brach dann ab.
Der Herrscher bemerkte Tajirikas Unsicherheit und beeilte sich, ihn zu beruhigen.
„Mach dir keine Sorgen, mit leeren Händen gekommen zu sein. Du kannst deine Geschenke später überbringen. Was ich dich jetzt fragen will, ist Folgendes: Was möchtest du mir in Gegenwart dieser zwei Ratgeber erzählen?“
„Worüber?“, fragte Tajirika verwirrt, weil er behandelt wurde, als hätte er selbst um diese Audienz gebeten.
„Was immer dein Gewissen belastet. Alles, was dir Sorgen bereitet“, sagte der Herrscher und versuchte, es Tajirika zu erleichtern, die Sache mit dem Geld zu beichten. „Bedrückt etwas dein Herz, das du vor mir ausbreiten möchtest?“
Diese Frage brachte Tajirika vollends durcheinander. Er hatte immer von der Gelegenheit einer solchen Audienz beim Herrscher geträumt und jetzt fehlten ihm die Worte. Vielleicht lag es am fürsorglichen Ton des Herrschers, der ihn an eine Verkündigung erinnerte, die er vor langer Zeit gehört hatte: Kommt her zu mir, alle, die ihr mühselig und beladen seid; ich will euch erquicken. Oder war es eine Falle? Bringe ich mich in noch größere Schwierigkeiten, wenn ich meine innersten Gedanken preisgebe? Kommt her zu mir, alle, die ihr mühselig und beladen seid; ich will euch erquicken. Wie verlockend diese Worte waren! Ihm wurde angeboten, sich zu entlasten! Wo sollte er anfangen? Er ließ die jüngsten Ereignisse Revue passieren – von der Demütigung, dass seine Position als Vorsitzender von Marching to Heaven geschwächt worden war, bis zu den Prügeln durch die Frauen – und überlegte, welche Last er dem Herrn zuerst zu Füßen legen würde. Er rief sich ins Gedächtnis, wie er unter dem Gewicht dreier großer, kräftiger Frauen auf einem kalten Zementfußboden lag, und die Schmerzen der Schläge kehrten mit neuer Wucht zurück. Er dachte daran, wie Vinjinia, seine eigene Frau, in einen dunklen Wald verschleppt worden war, von keinem anderen als Kaniũrũ, dem Thronräuber, der ihn hatte verhaften lassen, nur weil er sich weigerte, eine Vorladung zu befolgen. Wie konnte dieser Kaniũrũ es wagen, mit seinen schmutzigen Händen seine Frau anzufassen? Das war ein gravierenderer Anschlag auf seine Männlichkeit als alles andere. Hatte Kaniũrũ nicht auf Sikiokuus Anweisung gehandelt? Die Verbitterung über die Demütigungen durch diesen Mann, der jetzt vor ihm saß, erstickte ihn beinahe. Nun öffnete er unbewusst den Mund, um sich alles von der Seele zu reden.
„Was ich immer noch nicht verstehe“, sagte Tajirika, als setzte er einen Monolog fort, den er schon länger führte, „ist die Verbindung zwischen Sikiokuu und den Frauen vom Volksgericht.“
„Welches Volksgericht?“, fragte Seine Allmächtige Vortrefflichkeit und blickte hinüber zu Sikiokuu.
„Eure Allmächtige Vortrefflichkeit“, sagte Sikiokuu beschwichtigend, „ich hatte noch keine Gelegenheit, Sie umfassend zu informieren. Ich glaube, Tajirika meint die Frauen, die angeblich Männer verprügeln.“
„Und mit mir haben sie angefangen“, fügte Tajirika voller
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