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Herr der Krähen

Herr der Krähen

Titel: Herr der Krähen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ngugi wa Thiong
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was noch im Dunkeln verborgen ist.“
    „Es gibt einen kürzeren und leichteren Weg, um das zu klären“, sprach der Herrscher. „Ich will deine Kontoauszüge sehen.“
    Er gab Anweisung und bekam wenige Minuten später die Information von der National Bank of Commerce and Industry. Die Auszüge bestätigten alles, was Kaniũrũ behauptete.
    Zutiefst verzweifelt, völlig hilflos und unfähig, Kaniũrũs Lügen zu entlarven, starrte Sikiokuu den Tränen nahe vor sich hin.
    Der Herrscher kochte innerlich. So viel Geld hatte man mit Marching to Heaven, seinem persönlichen Projekt, gemacht, und er hatte nicht einen Cent abbekommen? Sikiokuu und Kaniũrũ, ein kleiner Jugendbrigadist, hatten dagegen Millionen eingesteckt.
    Plötzlich fiel ihm etwas ein, was Tajirika zuvor gesagt hatte. Das Wesentliche lag oft im Detail. Schnell griff er nach den entwerteten Schecks und Kontoauszügen und prüfte sie noch einmal.
    Sikiokuu betete mit aller Kraft, dass der Herrscher eine Unstimmigkeit fände, irgendetwas, egal wie winzig, das den Schaden wiedergutmachte, den Kaniũrũ angerichtet hatte.
    „Ich möchte dich etwas fragen“, sprach der Herrscher und winkte mit einigen Schecks in Kaniũrũs Richtung, „warum sehe ich hier nur Unterlagen zu aburĩrischem Geld.“
    „Ja, mein Herrscher“, antwortete Kaniũrũ. „Es waren alles Burĩ.“
    „Und wo sind die Dollars?“, insistierte der Herrscher.
    „Welche Dollars?“, fragte Kaniũrũ verwirrt.
    „Eben die Dollars. Amerikanische Hundert-Dollar-Scheine. Drei Säcke von fünf mal zwei Fuß an einem Nachmittag, wie bei Tajirika vor dir. Oder schauten deine Besucher nicht verächtlich auf den Wert des Burĩ herab? Haben sie etwa nicht gesagt, Burĩ ni bure ?“
    „Jetzt bist du dran, Arschloch!“, sagte sich Sikiokuu frohlockend. „Da hat man den gerissenen Kerl auf frischer Tat ertappt.“
    Auch Tajirika frohlockte. Er war sich sicher, dass seine Raffiniertheit Kaniũrũ in eine Lage gebracht hatte, aus der er sich nicht herauswinden konnte.
    Und mit einem Mal dämmerte es Kaniũrũ: Diese Geschäftsleute hatten Tajirika die ganze Zeit mit Dollars bezahlt. Warum hatten sie das nicht auch bei ihm gemacht? Tajirika war gar nicht der Dummkopf, für den er ihn gehalten hatte. Scheinbar ohne jede Nervosität antwortete er dem Herrscher:
    „Es gab einige, die in Dollars zahlen wollten. Aber Sikiokuu und ich haben ihr Angebot abgelehnt. Wenn wir ausländische Währung angenommen hätten, hätten wir alle Regeln und Vorschriften der Central Bank zum Devisenverkehr nur zur Selbstbereicherung gebrochen, und bei solchen Dingen mache ich nicht mit. Ich persönlich wollte etwas, das ich auch rechtfertigen konnte, selbst wenn sich herausstellen sollte, dass ich Unrecht getan habe. Ich will an meinem Verhalten gemessen werden. Es hat mich aufgebracht, als ich einige von denen reden hörte, als würden sie auf den Burĩ hinabsehen; einer hat sogar ‚Burĩ ni bure‘ gesagt. Aber ich gehöre nicht zu denen, die untätig danebenstehen, wenn Leute sich abfällig über unsere nationale Währung äußern. Mein Freund und Wohltäter Sikiokuu war sogar noch wütender auf sie wegen ihrem Mangel an Patriotismus. Kurz gesagt, wir lehnten es ab, uns mit Dollars bestechen zu lassen.“
    „Eure Allmächtigkeit“, warf Sikiokuu ein, „ich flehe Sie an, glauben Sie mir, ein solches Gespräch über Burĩ und Dollars zwischen mir und diesem Halunken hat nie stattgefunden.“
    Der Herrscher nahm kaum wahr, was Sikiokuu sagte. Er war noch immer voll und ganz mit den drei Säcken Dollars beschäftigt, weil ihm ein Sack Dollars kostbarer war als alle Burĩ in Aburĩria. Auch er hielt die nationale Währung für schwach, weil sich ihr Wert wie ein Chamäleon änderte. Tajirika sah er jetzt in neuem Licht: Da saß ein heller Kopf, der wusste, wie man aus dem Nichts Dollars machte. Kaniũrũ und Sikiokuu hingegen kamen ihm wie Idioten vor, weil sie darauf bestanden hatten, in Burĩ bestochen zu werden.
    Er wandte sich Tajirika zu.
    „Kaniũrũ hat uns erzählt, was er mit seinen Burĩ gemacht hat. Was hast du mit deinen drei Säcken Dollars gemacht?“
    Alle Blicke richteten sich auf Tajirika.

6
    „Ich rede mit dir, Tajirika“, wiederholte der Herrscher. „Hörst du schwer? Was hast du mit den drei Säcken Dollars gemacht? Mit wem hast du das Geld geteilt?“, rief er und warf einen Blick auf Machokali.
    Jetzt weht mir der Wind ins Gesicht, dachte Tajirika. Warum habe ich gelogen, Dollars zu

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