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Herr der Krähen

Herr der Krähen

Titel: Herr der Krähen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ngugi wa Thiong
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Büros im State House einzusperren.
    Sie hatten kaum das Zimmer verlassen, als der Herrscher das Telefongespräch fortsetzte: „Bist du noch dran? … Gut, jetzt sag mir, bist du dir sicher? Ihr alle vier? …“

10
    Er befahl dem Oberkommandierenden des Heers, so schnell wie möglich drei Panzerwagen ins Grasland zu schicken, um die Dollarbüsche und die kostbare Erde zu bergen, in der sie wuchsen. Und sie sollten langsam wie Schildkröten zurückfahren, um nur ja nichts zu riskieren. Emotionen wallten in ihm auf. Noch schmerzten ihn die jüngsten Demütigungen, die er zu erdulden gehabt hatte; jetzt aber brauchte er die Global Bank nicht mehr. Wie schön würde es sein, den Bankdirektoren mit aller Verachtung, zu der er fähig war, in die Augen zu sehen und ihnen zu sagen, dass sie sich ihre Dollars sonst wohin schieben konnten. Keine Memoranden mehr an diese unverschämten Dummköpfe. Er würde seinen neu entdeckten Reichtum einfach genießen. Mochten diese Geld spendenden Bäume ewig blühen! Auch wenn er ungeduldig auf die Rückkehr seiner Männer aus dem Grasland wartete, war er doch froh, angeordnet zu haben, dass die Panzerwagen nicht zurückrasten, damit kein Krümchen Erde verloren ging.
    Als sie den Konvoi sahen, der sich, ausgestattet mit allen erdenklichen Feuerwaffen, langsam seinen Weg durch Eldares bahnte, verbarrikadierten sich die Einwohner aus Angst vor einem Staatsstreich hinter ihren Türen. Wie glücklich war der Herrscher, als er nach sieben Tagen angespannten Wartens hörte, wie der Konvoi auf das Gelände des State House rollte! Angesichts seines gegenwärtigen Zustandes konnte er natürlich nicht hinausgehen, um ihn zu empfangen. So befahl er stattdessen den Polizei- und Armeechefs, unter Umgehung der üblichen Sicherheitsüberprüfungen für die unverzügliche Lieferung der Beute zu sorgen.

11
    Sogar heute fällt es noch schwer zu verstehen, was sich danach ereignete. Selbst A.G. blieb trotz seiner Zungenfertigkeit wortkarg. Die Leute behaupten, es habe daran gelegen, dass er, Tajirika, Kahiga und Njoya zur Verschwiegenheit verpflichtet worden waren, unter der Androhung, man würde ihnen die Zungen herausschneiden, wenn sie etwas ausplauderten. Sobald sie ihn aber bedrängten und leidenschaftlich anflehten – was sie gewöhnlich mit großzügigen Alkoholspenden unterstützten –, forderte A.G. sie immer auf, näher an ihn heranzurücken, damit er ihnen ein oder zwei Dinge zuflüstern könne. Und tatsächlich hielt A.G. sein Versprechen und tuschelte ihnen diesen Teil der Geschichte so leise zu, dass es einigen Zuhörern schwerfiel, alles zu verstehen. Doch sie unterbrachen ihn nicht, damit er es sich nicht anders überlegte und die Geschichte unerzählt blieb. Laut sprach er nur, wenn er sein „Ehrlich, Haki ya Mungu “ schwor, um zu unterstreichen, was andernfalls als eine zu unglaubliche Schilderung über Magie und Gier erschienen wäre.
    „Wir erhielten den Befehl, uns hinter je eine der in Sisal eingewickelten Gaben zu stellen, und eine nach der anderen unter dem wachsamen Blick des Herrschers auszupacken. Kahiga war als Erster dran. Er brauchte eine Weile, weil seine Hände unkontrolliert zitterten. Das lag nicht in erster Linie an seiner Angst oder Erschöpfung, denn Kahiga war wie auch ich davon überzeugt, dass der Herrscher, sobald er erblicken würde, was wir ihm brachten, aus Dankbarkeit unsere Gehälter oder Dienstgrade oder beides anheben würde.“
    An dieser Stelle flüsterte A.G. noch leiser, und einige enttäuschte Zuhörer, die schon glaubten, er hätte die Stimme verloren, wollten bereits gehen, weil sie davon ausgingen, dass die Gerüchte über das, was er von sich gab, sie ohnehin einholen würden.
    „Leute, wie soll ich euch beschreiben, was als Nächstes geschah? Wenn ich nicht dabei gewesen wäre und alles mit eigenen Augen gesehen hätte, würde ich es selbst nicht glauben“, flüsterte A.G. dann und bekräftigte es derart überraschend mit einem lauten „Ehrlich! Haki ya Mungu !“, dass seine Zuhörer erschreckt zusammenzuckten und diejenigen, die am Gehen waren, auf der Stelle stehen blieben, weil sie jetzt überzeugt waren, dass es klüger wäre, die Geschichte aus erster Hand zu hören als über Dritte.
    „Also, was geschah dann?“, fragten sie ihn, worauf A.G. sich Zeit ließ und den Kopf schüttelte, als könnte er immer noch nicht fassen, was er gesehen und gehört hatte.
    „Ihr meint, nachdem Kahiga sein Paket ausgepackt hat?“, fragte er, um

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