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Herr der Krähen

Herr der Krähen

Titel: Herr der Krähen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ngugi wa Thiong
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es liegt, dass ich nicht befördert werde? Und dann höre ich immer wieder dieselbe flüsternde Stimme: Es gibt jemanden, dessen Schatten sich mit deinem kreuzt.‘
    ‚Kennst du die Person, deren Schatten sich mit deinem kreuzt?‘
    ‚Oh, nein. Solche Leute arbeiten aus dem Hinterhalt. Es könnte jeder sein, mein Nachbar oder einer meiner Arbeitskollegen. Es könnte auch ein matatu -Fahrer sein, den ich verwarnt habe.‘
    ,Was willst du von mir?‘
    Mein Herz klopfte laut. Mir war nicht klar gewesen, wie verbittert ich über meinen Feind war, wer immer es sein mochte. Doch davon abgesehen, jetzt wird er wissen, dass ich niemand anderer bin als Constable Arigaigai Gathere. Nie wieder wird er meiner Karriere oder der eines anderen Schaden zufügen.
    ‚Suchen Sie ihn überall. Stöbern Sie ihn auf. Entfernen Sie ihn vom Antlitz dieser Erde‘, sagte ich in freudvoller Erwartung.
    ‚Einen Menschen zu töten – du weißt, das ist eine harte Angelegenheit?‘
    ‚Nicht für uns Polizisten des Herrschers‘, sagte ich. ‚Jedes Leben, das die Macht des Herrschers bedroht, ist für uns ein Nichts, es ist vollkommen wertlos.‘
    Er schwieg.
    ‚Es mag ein Leichtes für die Polizisten des Herrschers sein, den Körper zu töten, nicht aber den Geist.‘ Seine Stimme war immer noch von einer Sanftheit, die selbst die aufgewühlteste Seele beschwichtigt hätte.
    ‚Sie sprechen die Wahrheit‘, sagte ich zum Herrn der Krähen, ,Weil es mir, wenn ich wüsste, wer mein Feind ist, ein Leichtes wäre, ihm das Licht auszublasen. Weil ich aber nicht weiß, wer er ist, quält er mich, ob ich wach bin oder schlafe. Deshalb frage ich mich: Wie kommt es, dass mir jemand ständig in den Gedanken und im Herzen herumspukt, und ich trotzdem nicht sagen kann, wer es ist? Durch Sie verstehe ich es jetzt. Es liegt daran, dass er die Gestalt eines bösen Geistes annimmt. Und es stimmt, es ist nicht einfach, einen Geist zu töten. Glauben Sie mir, Herr der Krähen, ich bin bei jedem Zauberheiler in allen Städten und Dörfern dieser Gegend gewesen, und jedem habe ich dasselbe Rätsel vorgelegt: Ich habe Feinde, die ich nicht habe – wer sind sie? Und keiner konnte die Qualen von mir nehmen, damit ich wieder ruhig schlafen kann.‘
    ,Was lässt dich glauben, dass ich kann, was andere nicht vermochten?‘
    ‚Ich kenne Ihre Macht‘, sagte ich voller Überzeugung. ‚Als ich gestern Nacht das Zauberbündel am Dach hängen sah, blieb ich wie angewurzelt stehen. Ich hatte meinen Zauberer gefunden. Und ich habe mich nicht getäuscht. Jetzt weiß ich, wer meine Feinde sind. Sie verkleiden sich als böse Geister. Nicht, dass ich einen Beweis gebraucht hätte. Sie haben die Macht, den Vögeln die Kraft ihrer Flügel zu nehmen. Sie können sogar Krähen und Falken vom Himmel zwingen. Wie könnte Ihnen da ein einfacher Sterblicher, auch wenn er sich als Geist oder etwas anderes verkleidet, widerstehen? Herr der Krähen, schon Ihr Name ist Beweis für die Kräfte, die Sie besitzen.‘
    ‚Hast du einen Spiegel bei dir?‘, fragte er mich.
    ‚Nein.‘
    ‚Du hast keinen Spiegel bei dir?‘
    ‚Nein.‘
    ,Wie machst du es dann, wenn du dich ansehen willst?‘
    ‚Ich bin ein sauberer Kerl. Ich muss nicht so oft in den Spiegel sehen.‘
    ,Woher willst du das wissen, wenn du dich nie ansiehst?‘
    ‚Das weiß ich einfach.‘
    ‚Du hast mir erzählt, dass du manchmal Verkehrsdienst hast?‘
    ‚Ja.‘
    ‚Hast du je einen Autofahrer angehalten, dessen Fahrzeug keine Spiegel hatte?‘
    ‚Ohne Spiegel? Wie soll er ohne Spiegel fahren? Jemand, der ohne Spiegel am Auto fährt, ist eine Gefahr für sein eigenes Leben. Und das anderer. Sogar ein zerbrochener Spiegel ist eine Gefahr.‘
    ‚Du hast gesagt, dass fremde Schatten sich mit deinem kreuzen.‘
    ‚Ja.‘
    ,Wir brauchen Spiegel, um unsere Schatten sichtbar zu machen. Und wir brauchen Spiegel, um die Schatten anderer sichtbar zu machen, die sich mit unseren kreuzen. Für zweitausendzweihundertfünfzig Burĩ kannst du meinen ausleihen‘, erklärte er mir.
    Ich hatte natürlich nicht so viel Geld bei mir, also kündigte ich an, am Nachmittag wiederzukommen.
    Zu Hause zog ich meine Uniform an und meldete mich zum Dienst. Ich kam zu spät. Mein Boss Wonderful Tumbo war ziemlich wütend auf mich. Ich stand stramm, nannte ihn Effendi und berichtete ihm – und ihr, die ihr meiner Geschichte lauscht, glaubt mir, wenn ich euch sage, dass ich keine Ahnung habe, wie mir die nächsten Worte über die Lippen

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