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Herr der Krähen

Herr der Krähen

Titel: Herr der Krähen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ngugi wa Thiong
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dass sich unser Land von der Global Bank Befehle erteilen lässt?“, warf Sikiokuu ein, den Machokalis Worte schwer trafen.
    Mit dieser Frage hatte er sich aber einen groben Fehltritt geleistet. Er erkannte das nicht sofort, aber die anderen hatten das Stirnrunzeln des Herrschers bemerkt und nahmen Haltung an.
    „Mr. Sikiokuu, wollen Sie damit sagen, ich lasse mir von der Global Bank Befehle erteilen?“
    „Keinesfalls, Eure Allmächtige Vortrefflichkeit. Ich sprach nicht über Sie“, bemühte sich Sikiokuu zu erklären. „Ich sprach über das Land.“
    Ein weiterer Fehltritt.
    „Es gibt also einen Unterschied zwischen mir und dem Land?“, knurrte der Herrscher. „Hatten wir das nicht geklärt?“
    Machokali ergriff die Gelegenheit, seinen Widersacher weiter zu isolieren. Er sprang auf und rief: „Seine Allmächtigkeit, der Herrscher, ist das Allmächtige Land und das Allmächtige Land ist der Herrscher.“ Von Big Ben Mambo angeführt, erhoben sich auch die anderen Minister und stimmten ein: „Der Herrscher und das Land sind eins“, und bald entwickelte sich daraus ein Wechselgesang, den Machokali anführte.
    Als er Machokali in heller Begeisterung aufspringen sah, wurde Sikiokuu klar, dass er sich wieder einen schweren Schnitzer geleistet hatte, und er schwankte eine Sekunde lang, ob er nun aufstehen und in den Gesang einstimmen oder sitzen bleiben sollte. Wie konnte er in ein Lied einstimmen, das sein Erzfeind angestimmt hatte, zumal er damit isoliert und gedemütigt werden sollte? Deshalb sank er, statt dem Chor zu folgen, auf die Knie und beugte den Kopf so tief, dass seine Ohren den Boden berührten, als wollte er demonstrieren, dass Taten lauter sprächen als Worte.
    Der frohlockende Machokali intensivierte seine musikalischen Anstrengungen, und das Ruf-und-Antwort-Spiel wäre sicher noch eine Weile weitergegangen, hätte der Herrscher sie nicht mit einer Handbewegung aufgefordert, sich zu setzen und ihn hören zu lassen, was der kniende Mann zu seiner Verteidigung vorzubringen hatte.
    „Auf der ganzen Welt gibt es niemanden“, flehte Sikiokuu mit zittriger Stimme, „der nicht weiß, dass der Herrscher dieses Land ist und dieses Land Seine Allmächtigkeit der Herrscher. Dass viele andere Führer auf diese unauflösliche Einheit eifersüchtig sind, ist bekannt. Ich habe nur vorgeschlagen, ungenehmigtes Schlangestehen zu verbieten, damit unsere Feinde im Innern wie im Äußern dies nicht dazu verwenden können, diese Einheit in Frage zu stellen. Im Übrigen bin ich der festen Überzeugung: Sie sind das Land und das Land sind Sie. Ich schlage daher vor, dies in die Verfassung aufzunehmen. Ich schwöre vor Eurem Allmächtigen Angesicht, im Parlament einen Vorstoß zu unternehmen, die Verfassung entsprechend zu ändern.“
    Der Herrscher gab Machokali ein Zeichen fortzufahren, und es war niemandem entgangen, dass der Herrscher Sikiokuus Worte nicht nur völlig ignorierte, sondern ihn nicht einmal aufforderte, sich wieder zu setzen. Für die Dauer der gesamten Sitzung blieb Sikiokuu auf seinen Knien.
    Der triumphierende Machokali wollte seinem Widersacher den Todesstoß versetzen. Es mache keinen Sinn, sagte er, die Verfassung zu ändern, nur um etwas festzuhalten, das so offensichtlich sei wie die Tatsache, dass die Sonne die Quelle von Wärme und Licht ist. „Ich will mich aber nicht länger mit dieser Torheit beschäftigen“, fuhr er fort. „Ich möchte auf den Bericht des Motorradpolizisten zurückkommen. Es ist eindeutig, die Schlangen stehen mit Marching to Heaven in Zusammenhang. Unternehmer wie Arbeiter wissen, dass dieses Projekt Wirtschaftswachstum und viele Arbeitsplätze schaffen wird; deshalb haben sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer Schulter an Schulter auf den Straßen von Eldares versammelt, um Marching to Heaven zu unterstützen, obwohl das Projekt noch gar nicht begonnen wurde! Hat es so etwas in der Weltgeschichte schon mal gegeben? Löwe und Lamm legen sich zueinander. Fürchten wir nicht diejenigen, die voller Hoffnung Schlange stehen, sondern diejenigen, die sich vor dem fürchten, der sich voller Hoffnung in die Schlange stellt! Nehmt einen Rat von mir an: Nutzt die Warteschlangen, missbraucht sie nicht. Statt das Schlangestehen zu verbieten, sollten wir der Welt damit das Bild einer Nation präsentieren, die sich geschlossen hinter der Vision ihres Führers versammelt.“
    Der Herrscher war sehr erfreut über die Idee. Seit die Leute ihn im Park aus Angst vor Schlangen allein

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