Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Herr der Krähen

Herr der Krähen

Titel: Herr der Krähen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ngugi wa Thiong
Vom Netzwerk:
fünf losschicken.“ Der eine oder andere behauptete sogar, diesem Satz sei ein Leuchten seiner Augen vorausgegangen, das für einen Augenblick den Raum erhellte.
    „Wovon redest du?“, fragte der Herrscher verdutzt.
    „Die vier Reiter im Buch der Offenbarung“, antwortete Machokali, ohne zu zögern.
    „Und was hat das mit uns zu tun?“
    Als er nun sein Vorhaben erläuterte, herrschte absolute Stille im Raum. In jede der fünf Regionen – in den Norden, den Süden, den Westen, den Osten und in die Zentralregion – sollten Boten geschickt werden, um aus erster Hand die Hitze des Schlangenfiebers und seine Wirkung auf die breite Bevölkerung abzuschätzen. Als Erstes würde er den fünf von ihm persönlich ausgewählten Boten mit auf den Weg geben, sich zu beeilen und nicht eine ganze Woche damit zuzubringen, im Kreis herumzuirren. Darüber hinaus würde er sie anweisen, ganz Aburĩria zu bereisen, die bestehenden Warteschlangen zu erfassen und gleichzeitig die Dankbarkeit und Freude des Herrschers über das Schlangestehen zu verkünden und das Volk zu weiteren spontanen Ausbrüchen zur Unterstützung von Marching to Heaven anzustacheln.
    Sikiokuu fühlte sich kaltgestellt und wünschte, er könnte darauf mit einem Zitat aus dem Koran oder einem anderen heiligen Text antworten. Da er sich aber des Sprichworts „Wenn du sie nicht schlagen kannst, schließ dich ihnen an“ bewusst war, beschränkte er sich auf den Hinweis, dass die Aufgabe der Entsendung weiterer Boten allein bei seiner Abteilung lag, zumal Sicherheitsfragen damit zusammenhingen.
    Die Minister, die normalerweise den Krieg zwischen den beiden Widersachern beobachteten und sich immer auf die Seite des Gewinners schlugen, gaben der Schlacht, die gerade geendet hatte, den Titel „Die Schlacht der Fünf Reiter“, waren sich aber nicht ganz sicher, wer sie nun gewonnen hatte.
    Sikiokuu schäumte vor Wut, als er das State House verließ, und einige behaupten gar, sein keuchender Atem habe – wie bei einem Flusspferd unter Wasser – Luftblasen aus Mund und Nase aufsteigen lassen, und diese hätten ihn und sein Auto auf dem ganzen Weg zu seinem Büro umgeben. Der Minister war außer sich. Er hatte zu gehorchen, wollte dabei den Stand seines Widersachers in den Augen des Herrschers aber keinesfalls weiter befördern. Wie sollte er dem Herrscher folgen und sich gleichzeitig rächen? Er würde das geschriebene Wort nach den Buchstaben des Gesetzes auslegen, seinen Geist aber im gesprochenen Wort unterwandern.
    Sikiokuu tippte auf fünf Bögen mit dem Briefkopf DAS BÜRO DES HERRSCHERS die Überschrift „Die Boten des Herrschers“. Auf jedem gab er genaue Anweisungen: „Wisse durch dieses Schreiben, dass ich dich in angegebene Richtung entsende …“ Die Aufgabe eines jeden Einzelnen bestand darin, zu beobachten und zu bewerten, die Zufriedenheit des Herrschers über die Bildung von Warteschlangen zu übermitteln und die Botschaft auch dort zu verbreiten, wohin sie noch nicht gelangt war. Normalerweise hätte Sikiokuu die Schreiben im Auftrag des Herrschers unterzeichnet, er entschied sich jedoch anders. Er legte sie dem Herrscher vor, der, obwohl er Sikiokuu heftig beschimpfte – „Warum verschwendest du meine Zeit mit solchen Lappalien? Warum hast du nicht selbst unterschrieben?“ –, mit Behagen seine Unterschrift daruntersetzte und die Briefe sogar mit dem Siegel des State Houses abstempelte.
    Ausgestattet mit der Vollmacht, rief Sikiokuu die fünf Auserwählten in sein Büro und überreichte jedem einen Brief – das kostbarste Dokument, das jeder von ihnen jemals erhalten hatte. Besonders freuten sie sich über die Unterschrift des Herrschers, weil sie in ihren Augen dadurch zu seinen Abgesandten im Land und in der Welt erhoben wurden. Sikiokuu instruierte sie aufs Genaueste.
    Er sagte den Boten des Herrschers, dass nicht nur Eile, sondern absolute Sorgfalt gefordert war. Es würde nicht die geringste Gnade erfahren, wer zurückkehrte, ohne den hintersten Winkel des Landes besucht zu haben, in denen es Warteschlangen, Gerüchte oder Möglichkeiten von Warteschlangen gab. Sie als Botschafter des Herrschers könnten sogar über die Grenzen des Landes hinausgehen, wenn notwendig, fügte er um einen lockeren Ton bemüht hinzu, aber es gelang ihm nicht. Kurz: Es bestünde wirklich kein Grund zur Eile, und sie könnten sich bei der Erfüllung ihrer Pflicht Zeit lassen, sagte er noch, bevor er sie auf brandneuen Motorrädern entließ.
    Zur

Weitere Kostenlose Bücher