Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Herr der Krähen

Herr der Krähen

Titel: Herr der Krähen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ngugi wa Thiong
Vom Netzwerk:
gelassen hatten, suchte er nach einer Möglichkeit, mit der er beweisen konnte, wie sehr sie ihn immer noch liebten, wie sehr sie sich wünschten, seinen Fußstapfen zu folgen. Jetzt bot sich die Gelegenheit.
    Sobald den anderen Ministern klar wurde, wie sehr Machokalis Vorschläge den Herrscher begeisterten, lösten sich ihre Zungen und jeder behauptete – einer nach dem anderen –, dass das Warteschlangenphänomen in der Region, aus der er stammte, am ausgeprägtesten sei und seine Anhänger ausschließlich Lieder sängen, mit denen sie sich hinter Marching to Heaven stellten. Einige Regionalvertreter, in deren Gebiet der Wahnwitz erst noch ausbrechen musste, erklärten, sie würden der Parteibasis sofort Order geben, aktiv zu werden. Andere schlugen vor, die Bankvertreter sollten durch die Stadt und andere Landesteile reisen, um mit eigenen Augen das Ausmaß der Unterstützung des Volkes für Marching to Heaven zu sehen.
    Sogar der tief gedemütigte Sikiokuu versuchte, mit dem Strom zu schwimmen und behauptete, der Herrscher wäre der Vater des Schlangestehens und die anderen folgten lediglich seinem Vorbild. In seiner Eigenschaft als Staatsminister im Büro des Herrschers, dem die Sicherheitsdinge oblagen, würde er, Sikiokuu, Hunderte Leute vom M5 in die Schlangen abstellen, damit niemand den Schlangenwahn als Referendum für die Anarchie missbrauche.
    „Ein Warteschlangenreferendum für Marching to Heaven“, platzte Big Ben Mambo heraus, der es Sikiokuu übel nahm, Machokalis Ideen weiter kleinzureden. Das löste eine politische Diskussion aus, zumal Big Ben Mambo noch darauf hinwies, das Warteschlangenreferendum könne eine neue politische Theorie begründen, was vom Bildungsminister enthusiastisch unterstützt wurde. Er hob hervor, eine solche Theorie, die natürlich den Namen des Herrschers tragen müsse, könnte in allen Schulen und Colleges Aburĩrias gelehrt werden und die überholten Ansichten von Platon, Aristoteles, Hobbes und Pope ersetzen. Ein weiterer Minister fügte hinzu, die politischen Theorien des antiken Griechenland würden einer vergangenen Zeit angehören und sollten über Bord geworfen werden. „Wir können nicht zulassen, dass der Moder der Toten den wachen Geist der Lebenden besudelt“, meinte er und alle lachten. Sogar der Herrscher ehrte diese Bemerkung mit einem Lächeln und einer bescheidenen Äußerung.
    „Es gibt Leute, die der Ansicht sind, nur Weiße können neue Theorien entwickeln. Sie liegen falsch!“, sagte er, und alle Minister antworteten im Chor: „Jaaaa!“
    Sie hatten seinen Wink verstanden und wählten Machokali einstimmig zum Vorsitzenden eines Komitees zur Abfassung der „Theorie in Politik und Regierungspraxis des Herrschers“.
    Aus Angst, alle Segnungen könnten an ihm vorübergehen, warf Sikiokuu aus seiner knienden Position ein, dass die schlangestehenden Menschen diese Theorie bereits in die Praxis umsetzen würden, und nur der Herrscher berechtigt sei, das als sein Verdienst anzusehen. Man müsse einen Weg finden, um dem Volk zu danken, das mit solch grenzenloser Begeisterung Schlangen bilde. Er bot an, die Dankbarkeit des Herrschers zur besten Sendezeit über Radio und Fernsehen zu verkünden und durch das Land zu fahren, um den Menschen im Namen des Herrschers für ihre Unterstützung von Marching to Heaven zu danken.
    Machokali starrte ihn finster an. Er durfte nicht zulassen, dass dieser gerissene Hund einen Fuß in die Tür von Marching to Heaven bekam. Die Idee, jede Schlange mit M5-Leuten zu unterwandern, sei exzellent, sagte Machokali, und sie zeige, dass Sikiokuu – selbst wenn er knie – immer flinke Füße habe, wenn es darauf ankomme. Doch sei es das Klügste, die Medien dem Informationsminister Big Ben Mambo zu überlassen. Wenn die Bekanntmachung aus dem Büro des Herrschers käme, könne der völlig falsche Eindruck entstehen, das Volk sei zur Schlangenbildung genötigt worden, und das würde den positiven Eindruck einer spontanen Vorfreude der Menschen auf Marching to Heaven trüben. Eine einfache Presseerklärung sei vollkommen ausreichend.
    Jahre später fragten sich einige der damals Anwesenden rückblickend, ob Machokali in diesem Moment alles vorausgesehen hatte, oder ob er bei dem Versuch, seinen knienden Widersacher endgültig zu vernichten, über etwas gestolpert war, dessen Bedeutung sich erst im Nachhinein zeigte. Sie konnten sich erinnern, wie Machokali vor sich hin geflüstert hatte: „Es waren vier, aber wir können

Weitere Kostenlose Bücher