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Herr der Moore

Herr der Moore

Titel: Herr der Moore Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kealan Patrick Burke
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überzeugt, dass er mit der Wahrheit hinterm Berg hielt, und obwohl sie schon eine Menge Erzählungen gehört hatte, faszinierte sie nichts so sehr wie Sachverhalte, über die niemand reden wollte. Mr. Fowler im Krämerladen wurde nervös, sobald sie das Thema ansprach, und ihre Lehrer hielten Kate zum Schweigen an, wenn sie Fetzen von Unterhaltungen zitierte, die sie aufgeschnappt hatte. Es kam ihr wie ein schwarzer Tag in der Historie des Dorfes vor, und sowohl ihr Vater als auch Grady hatten dabei eine Rolle gespielt.
    Sie wippte langsam mit dem Kopf auf und ab, zeichnete Umrisse an die beschlagene Scheibe und hatte schließlich einen verlaufenen Hund mit spitzen Ohren vor sich, dessen Pfoten in Krallen zerflossen. Die Krankheit ihres Vaters, davon war sie überzeugt, hatte mit den tatsächlichen Geschehnissen an jenem Tag zu tun. Doch wie genau, das wusste sie noch nicht.
    Ihre nächste Herausforderung bestand darin, dem auf den Grund zu gehen.

    ***

    Tabitha zögerte mit einem Korb voller Bettwäsche vor ihrer Brust auf der Schwelle. Ihre Mutter hatte sie gebeten, die Laken abzuhängen, bevor es zu regnen anfing. Erst als sie das letzte von der Leine gezogen hatte, war ihr der Mann aufgefallen. Er stand an dem Zaun, den ihr Vater errichtet hatte, um ihr Grundstück vor Heidekraut und anderem Gestrüpp abzugrenzen, das vom Moor her wucherte.
    Was will der Kerl?
    Er war groß und trug einen zerschlissenen, alten Mantel, der im auffrischenden Wind an seinem Körper schlackerte. Dabei ruhten seine Hände auf dem Stacheldraht, ohne ihn durchhängen zu lassen. Zuerst war es ihr vorgekommen, als habe er eine Maske übergezogen, denn so bleich war kein Mensch, doch nun wusste sie, dass es ein Verband war, dessen Enden links und rechts am Kopf flatterten. Sie hatte noch mit dem Gedanken gespielt, ihn zu grüßen und eventuell zu fragen, was er auf dem Gut ihres Vaters verloren habe, sich letztlich jedoch dagegen entschieden. Warum, wusste sie nicht genau, aber wie reglos er immer noch dort verharrte, enervierte sie.
    Dunkle Wolken waren hinter den Bergen her aufgezogen – wie Hände, die Wasser schöpften. Gleich Fingern, die sich spreizten, breiteten sie sich aus, während lautlos blauweiße Adern aufblitzten: Ein Sturm braute sich zusammen.
    Tabitha wandte sich von dem Unbekannten ab und eilte ins Haus.
    In der Diele stieß sie auf Donald, der kaum von seinem bezeichnend hämischen Grinsen abließ, als er ihre besorgte Miene bemerkte.
    »Wo ist Mum?«, fragte sie ihn.
    Er wusste es nicht. »Schau selbst nach.«
    »Warum sagst du es mir nicht einfach?«
    »Wieso willst du es wissen?« Er lächelte, dass seine großen Zähne ein wenig hervorstanden, was darauf hindeutete, dass er sich freudig darauf gefasst machte, sie einmal mehr zu drangsalieren.
    »Draußen ist jemand.«
    »Wer?«
    Sie stellte den Wäschekorb ab und verschränkte die Arme. »Ich weiß es nicht. Gesehen habe ich ihn noch nie, sieht aber sehr seltsam aus, das sag ich dir.«
    Im Nu zerschlug sich der arglose Gesichtsausdruck ihres Bruders, und wie er dann dreinschaute, fand Tabitha befremdlich. »Kopfverband?«
    »Genau.«
    Er nickte. »Geh in dein Zimmer.«
    Fast hätte sie gelacht. »Geh in dein Zimmer? Hast du wieder an Mums Sherry genippt?«
    Donald starrte auf die Tür, als sei der Mann vom Zaun urplötzlich dort erschienen.
    »Donald?« Sie legte ihm eine Hand auf den Arm. Dieser schlichte Akt, das nahm sie in Kauf, erwies sich als fatal, falls ihm nach Gewalt zumute war. Er bemerkte es nicht einmal. Als sie ihn schüttelte, entzog er sich wie abwesend und ging zur Tür.
    »Wohin willst du?«
    »Mit ihm reden.«
    Tabitha war verwirrt. »Du kennst ihn?«
    »Ja.«
    »Woher.«
    »Wir sind uns schon einmal über den Weg gelaufen.«
    »Er sieht wie ein Herumtreiber aus.«
    Als ihr Bruder die Tür öffnete, wehte Laub herein. Über den Bergen grollte der Donner.
    »Donald?«
    Sie stampfte verärgert mit dem Fuß auf, da drehte er sich nach ihr um.
    »Wer ist er?«, wollte sie wissen.
    Der Junge lächelte wieder. »Jemand, der Wünsche wahrmacht«, sprach er, bevor er hinausging und die Tür zuschlug.

12

    Donald sah ihn sofort und ging rasch zum Zaun. Er hätte wohl besser seine Jacke angezogen, doch drinnen war es warm gewesen. Andererseits hatte er nicht vor, allzu lange draußen zu bleiben, auch weil Tabby so unsäglich neugierig war. Bis die Fantasie mit ihr durchging, sodass Mutter vor die Tür trat und wissen wollte, was gespielt wurde, war nur

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