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Herr der Moore

Herr der Moore

Titel: Herr der Moore Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kealan Patrick Burke
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Raum hinter Schlieren von Tränen und weinte leise.
    Es tut mir so leid. Nach dem Gedanken drängten sich konkrete Worte auf. Gern hätte er gesprochen und diesem furchtbaren Abbild – ja, ihm war klar, dass es sich um einen Albtraum handelte – seine Bußwilligkeit deutlich zu machen. Er wollte um Vergebung für allen Kummer bitten, den er während der vergangenen Monate verursacht hatte, denn kein noch so schweres körperliches Leiden stand in Relation zu den Erinnerungen, die seinen Geist plagten – ihr Lächeln und Lachen, aber auch die Enttäuschung in ihrem Gesicht, nachdem ihr bewusst geworden war, was er getan hatte.
    Ihr Gesichtsausdruck am Tag seines Mordes an ihr.
    Er starrte an die Decke, während der Schmerz weiter in ihm tobte, und presste die Kiefer aufeinander.
    »Tu es, Jack. Im Stillen.«
    Mit einem Mal war sie wieder da und stürzte auf ihn zu. Der Strick trudelte hinter ihr, und das Haar flatterte ungestüm in der Luft. Diese strömte auch pfeifend über ihre Lippen, die vor geronnenem Blut offen standen. Aus ihren großen Augen jedoch strömte es heiß, und er spürte die Tropfen auf seinem Gesicht.
    »Tu es«, wiederholte sie. Dann war ihr Gesicht der Planet und die Augen Zwillingsmonde, die wutentbrannt auf ihn zukamen.

    ***

    Kate saß in ihrem Zimmer am Fenster und schaute hinaus ins Moor. Der Nebel verflüchtigte sich wieder, was sie zu schätzen wusste, denn so kam sie unbeschwerter zum Gemeindehaus, wo die Festlichkeiten stattfanden. Ferner war sie nach Gradys Geschichte nicht erpicht darauf, sich allzu nah an dem Sumpf herumzutreiben, ohne zu sehen, wer oder was darin lauern mochte. Bei Nebel konnte ein blutrünstiges Tier sie alle umbringen, noch ehe sie es wahrnahmen.
    Sie schauderte. Als ihr Atem das Glas benebelte, putzte sie es ab.
    Bei klarem Wetter bot sich ihr eine traumhafte Kulisse von Merrivale bis zu Two Bridges am Ufer des Darts, dessen Wasser dann stets glitzerten. Verschwand zwar auch heute der Nebel, schoben sich Wolken vor die Sonne und tauchten das Tal in Schatten. Das Moor verfinsterte sich, und allein die Dorfstraße blieb als dünner, aufgeweichter Streifen sichtbar. Sie wand sich zwischen den niedrigen Häusern hindurch, die dicht an dicht standen, während sich die Felder zu ihren Seiten wie Schwingen voller Flecke ausrollten – Flechten und Torfmull – mit Steinzäunen als Adern. Sie erinnerte sich noch an Zeiten, als sie sich eingebildet hatte, etwas dort draußen zu sehen. Für sie waren es Pferde gewesen, auch wenn es anders ausgesehen, sich tiefer am Boden bewegt hatte. Wiederholte sich dies, schob sie es stets auf die Märchenerzähler vor Ort und tat es als verstiegene Schwärmerei ab, die sich wahrscheinlich auf eine Sinnestäuschung zurückführen ließ. Sie kannte die Legenden von der berüchtigten Bestie und tat so, als glaube sie daran, wenn jemand sie erzählte, denn nur so war es möglich, den alten Leuten gegenüber Höflichkeit zu wahren. Solche Geschichten galten als unantastbar und sagten das Fatum derer voraus, die nichts auf Warnungen gaben. Kate zeigte sich also gefügig und regte sich nur insgeheim darüber auf, wie weltfremd diese Märchen waren.
    Gradys Schilderungen nun stimmten sie um. Selbst wenn er etwas hinzugedichtet hatte, wie es ihm gerade eingefallen war, stand fest, dass etwas dort draußen sein Unwesen getrieben hatte und es vielleicht immer noch tat. Sie hielt es aber nicht für einen unbezähmbaren Dämon wie das oft beschriebene Fabelwesen oder den Höllenhund, wie einige der Erzähler es nannten. Dennoch war es wohl gefährlich, wie der unglückliche Mr. Royle hatte erfahren müssen. Was Grady Kate verschwieg, war der weitere Verbleib der Gruppe Jäger, die sich von ihm getrennt hatte. Nach mehreren Abenden, an denen ihr Vater seinen Albtraum im Wohnzimmer bei einem Brandy vor Grady beschrieben hatte, wusste sie, dass etwas Schreckliches geschehen war. Er hatte sich jedoch stets zu nebulös ausgedrückt, um sie zufriedenzustellen. Irgendwie schien er gespürt zu haben, dass Gradys Ohren nicht die Einzigen waren, die lauschten.
    Erwähnung hatte allerdings ein Schatten gefunden, ein blitzschnelles Wesen mit weiß glühenden Augen, und da Grady nun seine Seite der Geschichte wiedergegeben hatte, lechzte Kate nach mehr. Der Hausdiener war – untypisch für ihn – bei seinen Äußerungen kleinlaut geblieben, richtiggehend zugeknöpft, als hätte er ein Schweigegelübde abgelegt. Dies schürte ihre Neugier. Sie war davon

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