Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Herr der Moore

Herr der Moore

Titel: Herr der Moore Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kealan Patrick Burke
Vom Netzwerk:
weit genug trug. Seine Enttäuschung angesichts dieser Ungerechtigkeit wich einem letzten Schwall unerbittlicher Wut.
    »Hoffentlich schmorst du in der Hölle, du elender Mistkerl«, spie er aus, während die Tränen in seinen Gesichtswunden brannten.
    »Habe ich bereits«, erwiderte Stephen. Sein Gesicht war ein undeutlicher Schatten neben ihm, wie der Doktor mit seinem heilen Auge erkannte. Die Folter, so glaubte er, spaltete ihn entzwei, und er versteifte sich einmal mehr, um noch tiefer in die Dornen zu rutschen. Diesmal spürte er nichts, denn gnädigerweise deckte ihn eine Ohnmacht mit ihren dunklen Schwingen zu. Das kolportierte Gelächter der Dorfbewohner verklang, und Stille brach herein. Wie sein Fleisch zerrupft wurde, knirschte es umso lauter.

11

    Sie fiel von der Decke. Der Strick spannte sich und sirrte, ehe ein letzter Ruck durch sie ging. Einmal noch wurde sie wieder nach oben gezogen, sodass ihre Füße, die immer noch zappelten, wie Poes Pendel durch Jack Mansfields Gesichtskreis schwangen. Der Hanf knarrte, als er sich an den Deckensparren rieb; sie zuckte wieder, dann noch einmal wie zum letzten Aufbäumen. Er stieß einen ohrenbetäubenden Schrei aus, während die Leiche über ihm baumelte, die Zehen nur wenige Zoll vor seinem Gesicht.
    Krrrrrrrrr …
    Der Strick drehte sich und mit ihm auch der reglose Leib, sodass Mansfield ihr Antlitz sah. Sie schaute auf ihn herab. »Er nimmt dir die Kinder«, flüsterte sie, während ihre Lider flimmerten, dann dauerhaft offen blieben. Die Augen darunter waren geschwollen und dunkelrot.
    Eine weitere Halluzination , glaubte er. Sie existiert nicht, kann nicht hier sein.
    In stummer Hilflosigkeit bat er darum, dieses grausame Zerrbild von Helen möge verschwinden, weil er sich verbissen weigerte, sie als real zu erachten, wie sie hier und jetzt über seinem Bett hing, eine hauchzarte Puppe, die der Tod in Trauerfarben getüncht hatte. Als er die Augen aber wieder schloss, rückte der Schutz, den er sich erhoffte, hinter dem Kratzen des Seiles in weite Ferne.
    »Du musst mir zuhören, Jack. Verschließe die Augen nicht davor.«
    Der Schreck machte ihn gefühllos; um die Linderung des Schmerzes war er froh, gleichwohl er ihn nicht überwunden hatte. Er lauerte weiter in ihm, wartete wie ein wütender Mob hinter einem maroden Gatter, der den Tempel – seinen Körper – gleich erneut bestürmte.
    Geh weg …
    Als er die Augen wieder aufschlug, hing sie immer noch da.
    »Du musst sterben«, hauchte sie, »und zwar bald.«
    Könnte ich bloß , dachte er da, und das Eingeständnis entsetzte ihn. Bisher hatte er nicht geglaubt, so selbstbezogen sein zu können. Es tat weh, noch heftiger als das Leiden, dem er unterworfen war. Die Kinder brauchten ihn, und von einem Vater erwartete man, dass er für sie sorgte. Dass er das Wichtigste in seinem Leben – falls er diesen Zustand so nennen konnte – links liegenlassen wollte, war unverzeihlich.
    Warum? Er suchte Helens Blick. Warum bist du hier?
    »Lebst du weiter«, entgegnete sie, »sterben die Kinder.«
    Das verstehe ich nicht.
    »Er trachtet nach dem Jungen und wird ihn beizeiten holen. Du stellst eine Bedrohung dar, mit der die Kleinen nicht rechnen. Sie lieben dich, und ihre Gewogenheit wird sie blenden angesichts dessen, was die Krankheit mit dir anrichtet. Dann ist es zu spät.«
    Mansfield glotzte sie an, obwohl ihn ihr Bildnis verstörte. Er wollte, dass sie verschwand, und doch nagten ihre Worte an ihm. War sie mehr als bloße Einbildung, ein Produkt seines Fieberwahns – oder eine Projektion seines Gebrechens?
    Ich würde ihnen niemals etwas antun.
    Ihre farblosen Lippen spannten sich zu einem Lächeln. »Deine Liebe für sie wird vergehen. Dann bedeuten sie dir wenig mehr als willkürliche Opfer.«
    Niemals verletzen …
    »Halte einfach die Luft an. Es ist so leicht.«
    Niemals.
    »Im Nu wird der Schmerz auf ewig der Vergangenheit angehören.« Der Strick krachte wieder, als sie ihr Gewicht nach vorn verlagerte, um ihn eingehender anzusehen. »Rette sie, Jack. Bei mir hast du es nicht geschafft, doch für sie besteht Hoffnung, wenn du bloß zu atmen aufhörst und es dir fest wünschst.«
    Niemals .
    Die Stille im Anschluss war so intensiv, dass er befürchtete, mit der geringsten Bewegung ginge alles wieder von vorne los. Zu glauben, sie sei endlich fort, wagte er nicht. Erst als die Agonie erneut einsetzte, wusste er mit Bestimmtheit, dass sie ihn allein gelassen hatte. Er öffnete die Augen, sah den

Weitere Kostenlose Bücher